Theater nach Hiroshima

■ Robert Lepages Hiroshima-Projekt "Sieben Ströme" begeisterte bei den Braunschweiger Theaterformen

Robert Lepage gehört zu den gefeierten Regisseuren der internationalen Theaterszene. Die Inszenierungen des 38 Jahre alten Kanadiers sind häufig Glanzpunkte bekannter Theater und renommierter Festivals.

Diesen Ruf hat er nun im Rahmen der bis zum 18. Juni laufenden Braunschweiger „Theaterformen 95“ unter Beweis gestellt. Sein bisher fünfstündiges Hiroshima-Projekt „Die Sieben Ströme des Flusses Ota“ wurde bei der deutschen Erstaufführung vom Publikum mit anhaltendem Applaus und Bravo-Rufen gefeiert.

Die „Sieben Ströme“ erzählen eine Saga um Personen zwischen den mit massenhaftem Elend und Tod verbundenen Namen Theresienstadt und Hiroshima und der gebrochenen Hoffnung der Überlebenden.

Lepage setzt die tschechische Jüdin Jana in den Mittelpunkt seines Werkes, das 1996 zum 50. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima in der japanischen Stadt erstmals komplett mit allen sieben Teilen aufgeführt werden soll. Jana übersteht das KZ Theresienstadt und gelangt über die Stationen Paris, New York, Amsterdam und Montreal schließlich ins heutige Hiroshima, der „Stadt der Überlebenden“.

Auf ihrer bewegten Reise zwischen Tod, Verzweiflung und Hoffnung, Liebe, Sex und Ehebruch begegnet Jana immer wieder Menschen, deren Schicksale fest miteinander verbunden zu sein scheinen. Da ist Jeffrey, schwuler Sohn jenes US-Soldaten Luke, der in Hiroshima das Haus der vom Strahlentod bedrohten Nozomi fotografierte. Jana lernt Jeffrey in New York kennen und wird dessen in Japan ererbtes Haus bewohnen. Auch Ada, deren Mutter für Jana in Theresienstadt ein Rettungsanker war, stößt in New York hinzu. Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart. Pierre, Adas Liebhaber in Hiroshima, kann sich von seiner Freundin Sophie aus Montreal nicht trennen. Jana und Sophie stehen schließlich am Ende. Beide sind tief verletzt, beide leben.

Der schnellen Reise durch Zeiten und Räume setzt Lepage mit dem Text eine weitere Ebene hinzu. Sieben Sprachen prägen das Stück. Im ruhigen Bühnenbild einer vielfach wandelbaren Holzhütte setzen Lepage und sein zehnköpfiges Ensemble dann über weite Strecken auf einfache, aber durchaus wirkungsvolle theatralische Mittel. Japanische Schiebewände werden zu neuen Ebenen, Bühnenbildern, Projektionsflächen und Glaskästen.

So gelingt es dem Kanadier, selbst das unfaßbare Elend Theresienstadts, den tausendfachen Tod Hiroshimas packend und ohne falsches Pathos auf der Bühne darzustellen. Rückblenden werden durch ein Spiegelkabinett gebrochen, reflektiert und gleichzeitig vervielfacht – ein Spiegelbild eben auch des Seelenzustands der Akteure.

Gerd Roth/dpa