„Das ist keine Frage des Gewissens“

Die bündnisgrünen Trittin und Müller mahnen Einsatzbefürworter in der eigenen Fraktion / auch nicht für Sanitätssoldaten in Ex-Jugoslawien / SPD-Vorstand gegen Tornado-Einsatz  ■ Von Hans Monath

Bonn (taz) –Im bündnisgrünen Streit über eine Bundeswehr-Hilfe für die internationale Eingreiftruppe in Bosnien haben die Einsatzgegner die Minderheit in der Fraktion erneut vor einer Aufweichung grüner Positionen gewarnt. Vorstandssprecher Jürgen Trittin, Fraktionssprecherin Kerstin Müller und die Verteidigungsexpertin Angelika Beer forderten die Abgeordneten am Montag auf, nicht nur deutsche Tornado-Einsätze abzulehnen, sondern auch gegen eine logistische Unterstützung der Eingreiftruppe und die Entsendung von Sanitätssoldaten nach Kroatien zu stimmen. Das Parlament entscheidet voraussichtlich kommende Woche, ob Tornados, Transall-Transportmaschinen und ein Lazarett bereitgestellt werden.

Die Eingreiftruppe wird nach Meinung der Einsatzgegner eine Eskalation des Konfliktes bewirken. Zwar gelte auch für diese Soldaten formal der Blauhelm-Auftrag, tatsächlich wachse aber die Gefahr, mit der „Zwittertruppe“ schrittweise in Kampfhandlungen verwickelt zu werden, sagte Kerstin Müller. Nach Einschätzung Trittins und Beers soll die Eingreiftruppe einen Gesamtabzug der Unprofor-Truppen vorbereiten. Angelika Beer warf der Nato vor, sie habe in Bosnien „bewußt eskaliert und mit den Bombenangriffen auf Pale in Kauf genommen, daß Geiseln genommen wurden und die Zivilbevölkerung gezielt angegriffen wurde“.

Trittin forderte die Fraktion auf, bei der Abstimmung grüne Programmatik im Bundestag deutlich zu machen: „Das ist keine Gewissensentscheidung.“ Auch der vermeintlich humanitäre Auftrag eines Bundeswehr-Lazaretts in Kroatien sei abzulehnen: „Sanitätssoldaten stellen die Kampffähigkeit der Truppe her.“

Sorgen macht den Einsatzgegnern die Wirkung des Fraktionsstreits auf die Partei. Nach Meinung von Angelika Beer würde die Zustimmung einer größeren Anzahl von Grünen-Abgeordneten einen „offenen Bruch“ bedeuten, weil damit der pazifistischen Parteibasis „der Boden unter den Füßen weggehauen“ würde.

„Je länger der Krieg andauert, um so mehr wächst der Druck auf die Linke und damit auf die Grünen“, sagte Kerstin Müller. In Briefen und Gesprächen zum Thema sei eine „völlige Zerrissenheit“ zu spüren. Trittin erklärte, nicht die Einsatzgegner in der Partei müßten sich rechtfertigen. Nur die Befürworter der Bundeswehr- Entsendung in der Fraktion hätten eine „Bringschuld“.

Den einsatzbereiten Abgeordneten warfen Trittin, Müller und Beer vor, sie instrumentalisierten den Bosnien-Konflikt, um im Vorgriff auf eine mögliche Regierungsbeteiligung ihnen unliebsame Parteibeschlüsse zu entwerten. Die Einsatzbefürworter forderten sie auf, in der Partei offen für ihre Meinungen zu kämpfen.

Die SPD-Fraktion wird voraussichtlich mit großer Mehrheit gegen Tornado-Einsätze stimmen, nachdem der Parteivorstand am Montag den Einsatz deutscher Kampfflugzeuge zum Schutz der UN-Truppen abgelehnt hat. Logistische Unterstützung befürwortet die SPD-Spitze. Führende Außenpolitiker der SPD hatten sich für den Tornado-Einsatz stark gemacht. Das Kabinett hat noch keinen Beschluß gefaßt. Zunächst werden die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates zu Bosnien abgewartet.