piwik no script img

Schöne Schoner und andere Dinge

■ Karikaturen-Ausstellung zum Thema „Reichstagsverhüllung“ am Chamissoplatz

Jetzt gehen ja bald die zahlreichen Trittbrettfahrer der Christoschen Verhüllung mit ihrem „Summertime“-Festival, ihren verpackten „Kindl“-Kisten, Modekollektionen und Hotel-Packages in die vollen. Da wollte die Galerie am Chamissoplatz mit ihrer Cartoon- Ausstellung „Jesses ... Christo“ schnell noch ironischere Töne anschlagen. 120 Zeichner wurden zum Brainstorming über den Reichstag, die Hülle, das Verpacken überhaupt eingeladen. 50 beteiligten sich schließlich an der Ausstellung, darunter Michael Sowa, OL, Wössner, Tom, Fickelscherer, Beck und Til.

Bei der Eröffnung mußten die Besucher erst einmal die – wie die ganze Galerie – sorgsam verhüllten Zeichnungen vom Packpapier befreien. Darunter: immer wieder „Der frühe Christo“, der schon halb Bulgarien, aber nicht seine Schulbrote verpackt hat und später seine ersten Liebschaften einwickelt. Beliebt auch das verpackte Kruzifix, der „ultimative Christo“ ebenso wie die vielen Hinweise darauf, daß auch eine Politikerverpackung im großen Stil wünschenswert wäre. Und natürlich das Kondom, das für allerlei Witze bis zur Grenze seiner Dehnbarkeit strapaziert wird. Nur selten gelingen Glanzleistungen wie OLs Zeichnung des verpackten Reichstags mit darüber züngelden, ebenfalls ordentlich eingewickelten Flämmchen: der „Reichstagsbrandverpacker“ war Christo zuvorgekommen.

Noch schöner sind die Schoner von Nina Krüger-Schmale. Vom Staubsauger und der Milchtüte bis hin zu kompletten Dinnergesellschaften verschwindet alles unter funktionalen Hüllen, Hauben und Bezügen, zur „Schonung in einer schonungslosen Welt“. Im „Heidelberger Krug“, Nachbar der Galerie, werden die Schoner über Spiegel, Zapfhahn, Garderobenhaken und Waschbecken in der Praxis getestet.

Die meisten der ironischen Antworten auf die selbst ironische Reichstagsverhüllung wirken allerdings reichlich bemüht. Aber vielleicht liegt das auch daran, daß man die meisten Karikaturen ja bereits kannte. Alle Spielereien mit dem Wort „verpacken“ sind getrieben, gedruckt – und jetzt eben ausgestellt. Das ist alles. Jörg Häntzschel

„Jesses, ... Christo“, bis 20. 8., So, Di.–Fr. 13–18, Sa. 11–18 Uhr, Galerie am Chamissoplatz, Kreuzberg

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen