Einbürgerungen im Schneckentempo

■ Bis zu zwei Jahre Wartezeit bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen / Bezirke beklagen Überlastung

„Ich habe Anfang 1993 einen Antrag gestellt, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Das Verfahren ist immer noch nicht abgeschlossen. Langsam verliere ich die Hoffnung.“ Der Fall des Türken Hassan Genic* ist keine Ausnahme.

Wer sich zur Einbürgerung entschlossen hat, muß in der Regel mit einem langatmigen Verwaltungsverfahren rechnen. Spitzenreiter der Prozedur, die den Standesämtern obliegt, ist der Bezirk Wedding. „Dort muß man sich durchschnittlich zwei Jahre gedulden, bis das Verfahren abgeschlossen ist“, kritisiert Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin- Brandenburg. „Durch diese lange Wartezeit werden viele Menschen demotiviert.“ Cinar befürchtet, daß sich die Situation weiter verschärfen wird. Der Grund: Durch die Änderung des türkischen Staatsbürgerschaftsrechts ist der Wechsel der Staatsangehörigkeit für viele seiner Landsleute wesentlich attraktiver geworden.

Künftig kann der türkische Paß auch dann gegen einen anderen eingetauscht werden, wenn der Militärdienst nicht abgeleistet wurde. Das gilt allerdings nur für diejenigen, die schon vor Vollendung des 18. Lebensjahres aus der Türkei weggezogen sind. Auch wer die türkische Staatsangehörigkeit abgelegt hat, wird in Zukunft in einigen Punkten wie ein türkischer Staatsbürger behandelt. Dadurch braucht in der Türkei keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mehr beantragt zu werden. Ebenso gelten nach dem neuen Gesetz Eigentums- und Erbrechte uneingeschränkt weiter.

„Bereits 1994 konnten in Berlin 40.000 Verfahren nicht abschließend behandelt werden. Durch diese Gesetzesänderungen werden erheblich mehr Anträge auf Einbürgerung in die Bundesrepublik gestellt werden“, prophezeit Cinar. Mehr Anträge bedeuteten auch längere Bearbeitungszeiten. Vorschläge zur Verkürzung der Verfahrungsdauer gibt es genügend: Barbara John, Ausländerbeauftragte des Senats, hatte im Januar gegenüber Innensenator Heckelmann (beide CDU) angeregt, die elektronische Datenverarbeitung verstärkt zu nutzen. „Die Ausländerbehörde könnte zu jeder Akte ein Deckblatt einrichten, aus dem der Aufenthaltsstatus des Betroffenen hervorgeht. Das hätte den Vorteil, daß die Bezirksämter die Akten nicht noch einmal komplett von vorne durcharbeiten müßten“, schlägt John vor. „Bislang habe ich noch keine Antwort von der Innenverwaltung“, so John.

Auch der Rat der Bürgermeister hatte auf Initiative des Kreuzberger Bürgermeisters, Peter Strieder (SPD), Vorschläge zur Verfahrensbeschleunigung ausgearbeitet. Einige Punkte wurden aufgegriffen, nicht jedoch die vielversprechendste Änderung: die Mitwirkung der Senatsinnenverwaltung bei der doppelten Staatsangehörigkeit abzuschaffen. „Das zuständige Referat bei der Innenverwaltung sollte aufgelöst werden. Die Mitarbeiter könnten dann auf die Bezirke verteilt werden.“ Laut Strieder lehnt die Innenverwaltung diesen Vorschlag ab, weil er sich nicht mit Bundesrecht vereinbaren lasse. „Das ist nicht richtig. In Brandenburg ist dieses Vorgehen zumindest möglich“, kontert Strieder.

Die Innenverwaltung fühlt sich für die langen Bearbeitungszeiten dagegen nicht verantwortlich. Man verweist auf Bundesgesetze und die Zuständigkeit der Bezirke. Für Safter Cinar sind das Ausflüchte: „Der Berliner Senat spricht sich ständig für eine großzügige Einbürgerungspraxis aus. Da könnte man schon Hilfestellungen erwarten. Statt dessen wird die gesamte Last den Bezirken aufgebürdet.“ Gesa Schulz

*Name geändert