Küchenabfälle zu Komposthaufen

In Berlin werden pro Jahr 140.000 Tonnen Bio-Abfälle ungenutzt entsorgt / Kompostierungsanlagen will kaum jemand in der Nachbarschaft haben / Bio-Kompost bringt Geld in Berlin  ■ Von Volker Wartmann

„Der Senat plant eine Reduzierung der Siedlungsabfälle um ungefähr 50 Prozent bis zum Jahr 2005,“ verkündet Volker Hassemer, Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Erreicht werden soll dieses hochgesteckte Ziel durch gezielte Müllvermeidung und -verwertung.

Derzeit produziert jede EinwohnerIn Berlins im Schnitt jährlich 330 Kilogramm Hausmüll. Rund ein Viertel des Hausmülls besteht aus organischen Abfällen aus Küche (20 Prozent) und Garten (5 Prozent). „Insgesamt 140.000 Tonnen Bio-Abfälle fallen in Berliner Haushalten pro Jahr an, die bisher ungenutzt und ungetrennt von anderem Müll auf gewöhnlichen Deponien endgelagert oder verbrannt werden,“ erläutert Thomas Schwilling, Referent für Siedlungsabfall bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, die derzeitige Situation.

Durch Umwandlung in Kompost können organische Abfälle als natürlicher Dünger und Humusverbesserer wiederverwertet werden. „Bei richtiger Anwendung kann man mit Kompost Kunstdünger ersetzen, das ist ökologisch verträglicher,“ erklärt Andreas Schneider, Mitarbeiter der Abfallgruppe bei Greenpeace Berlin. Nach Plänen des Senats soll in den nächsten zwei bis vier Jahren der Bio-Abfall in Berlin flächendeckend separat in Biotonnen gesammelt und durch Bearbeitung in zwei zentralen Kompostierungs- und Vergärungsanlagen wieder nutzbar gemacht werden. Parallel dazu soll die private Eigenkompostierung, vor allen Dingen in den gartenreichen Außenbezirken, weiter gefördert werden.

Im Auftrag des Landes Berlin planen die Berliner Stadtreinigungsbetriebe in Pankow die Errichtung einer Kompostierungsanlage mit einer Jahreskapazität von 50.000 Tonnen und eine Vergärungsanlage mit einer Jahreskapazität von 30.000 Tonnen. Mit dem Abschluß des Genehmigungsverfahrens rechnet der Senatsmitarbeiter in den nächsten Wochen. „Dann kann es 1997 dort losgehen.“ 1998/99 soll eine zweite Anlage am Blockdammweg in Lichtenberg in Betrieb genommen werden. „In dieser von der BEWAG betriebenen Anlage werden dann pro Jahr 50.000 Tonnen Bio-Abfall vergärt und 30.000 Tonnen kompostiert werden können. Die Vorplanung für das Genehmigungsverfahren läuft.“ Bei der Standortfindung gab es bisher im Vorfeld einige Probleme. Kaum jemand wolle eine solche Anlage in unmittelbarer Nähe haben. Jedoch entstehe durch den Betrieb einer solchen Anlage „kaum Geruchsbelästigung, da die Anlagen komplett eingehaust sind,“ versucht Schwilling klarzumachen.

„In Kompostierungsanlagen werden organische Stoffe verarbeitet, deren Wassergehalt zwischen 40 und 60 Prozent liegt,“ erklärt Umwelttechnikingenieur Rüdiger Oetjen-Dehne, Geschäftsführer der Umwelt- und Energie- Consult GmbH (UEC). Bei dieser sogenannten aeroben Verfahrensweise entstehen unter der Einwirkung von Luft Kompost und Wärme. Vergärungsanlagen funktionieren nach dem gegenteiligen Prinzip. Hier wird zur Kompostherstellung der Sauerstoff entzogen. Bei dieser als anaerob bezeichneten Vorgehensweise entstehen Kompost und Biogas, welches dann als Energieträger beispielsweise für den Betrieb eines Blockheizkraftwerkes dienen kann. Oetjen-Dehne weiter: „Unter energetischen Gesichtspunkten betrachtet ist das Vergärungsverfahren sehr sinnvoll. Es ist für Bio- Abfälle wie zum Beispiel reine Küchenabfälle mit einem hohen Wassergehalt von etwa 80 Prozent geeignet.“ Mit den geplanten Anlagen könnten nach Auskunft Schwillings jährlich insgesamt 70.000 bis 80.000 Tonnen Kompost produziert werden. Laut einer von UEC 1994 für den Senat erstellten Vermarktungsstudie gibt es für Bio-Kompost mit niedrigem Schadstoffgehalt ein großes Absatzpotential in und um Berlin.

Biotonnen werden von der Bevölkerung angenommen

„Ein vom September 1990 bis August 1991 durchgeführter Biotonnen-Versuch in fünf repräsentativen Berliner Siedlungsgebieten ist bei der Bevölkerung auf eine große Akzeptanz gestoßen“, erläutert der Senatsexperte. Die Bio- Tonnen seien sachgemäß und gewissenhaft von der Bevölkerung genutzt worden. Ein möglichst geringer Schadstoffanteil ist die notwendige Voraussetzung für die Produktion von qualitativ hochwertigem Kompost. „Der Störstoffanteil in den Biotonnen lag selbst im dichtbesiedelten Versuchsgebiet in Neukölln nur zwischen ein und zwei Prozent.“

Eigenkompostierung ist die ökologisch sinnvollste und kostengünstigste Form der Kompostierung, auch weil Sammel- und Transportaufwand gespart werden. Vor allen Dingen in den gartenreichen Außenbezirken Ostberlins ist der Trend zur Eigenkompostierung ungebrochen. Rund 85 Prozent der kompostierbaren Abfälle werden dort – wie schon zu DDR-Zeiten – privat kompostiert. In den gartenreichen Gebieten im Westteil der Stadt sind es etwa 50 Prozent. „Um den hohen Eigenkompostierungsanteil im Osten zu erhalten und den im Westteil zu erhöhen, hat der Senat letztes Jahr das sogenannte KISS- Projekt ins Leben gerufen,“ so Schwilling. KISS steht für Kompost-Informations- und Service- Station. Im Mai 1994 wurden sieben KIS-Stationen eröffnet, auf denen ein Kompostberaterteam fachkundig über Möglichkeiten und Methoden der Kompostierung und Kompostanwendung Auskünfte erteilt. Desweiteren bieten die KIS-Stationen Serviceleistungen wie zum Beispiel den Verleih von Häckslern und Sieben an. Schwilling: „Das KISS-Projekt läuft erfolgreich. Weitere Stationen werden angedacht.“

In den siedlungsdichten Innenstadtbezirken sei die rasche Einführung der Biotonne aufgrund nur sehr begrenzter Eigenkompostierungsmöglichkeiten aus ökologischen Gründen dringend notwendig, so Umwelttechnikingenieur Oetjen-Dehne. Sie jedoch auch in den Außenbezirken flächendeckend einzuführen hält er für überdenkenswert. „Es ist zu befürchten, daß die Leute dann weniger selber kompostieren, sondern ihre Garten- und Küchenabfälle einfach in die Tonne werfen.“

28 Mark wird die Biotonne jede EinwohnerIn Berlins pro Jahr kosten. Doch selbst unter monetären Gesichtspunkten wird sich die ökologischere Umgehensweise mit dem Bio-Abfall mittel- bis langfristig rechnen. Senatsmüllexperte Schwilling mutmaßt: „Die Kosten für die Entsorgung nicht verwertbaren Restmülls werden in den nächsten zehn Jahren um das drei- bis vierfache ansteigen.