Erstes Bauernopfer in Spaniens Abhörskandal

Der Rücktritt von Geheimdienstchef Manglano reicht nicht aus, um die Parteien zu beruhigen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Spaniens Abhörskandal hat sein erstes Opfer gefordert. Emilio Alonso Manglano, Chef des militärischen Abschirmdienstes CESID, hat sein Amt niedergelegt. Der 69jährige General übernahm damit die Verantwortung für elf Jahre illegalen Abhörens von Handys und Autotelefonen, für Tausende von illegalen Gesprächsmitschnitten von Politikern, Unternehmern, Journalisten und selbst König Juan Carlos.

Der Rücktritt des Oberagenten wird nicht genügen. Vier Stunden lang standen am Donnerstagabend Verteidigungsminister Julián Garcia Vargas und Vizepräsident Narcis Serra dem Geheimdienstausschuß des Parlaments Rede und Antwort – mit dem Ergebnis, daß anschließend Opposition und führende Vertreter der sozialdemokratischen PSOE von Regierungschef Felipe González einhellig den Rücktritt der beiden forderten. „Nach Watergate ging ein Präsident – und da wurden wesentlich weniger Telefone angezapft“, meinte etwa Federico Trillo, Sprecher der konservativen Partido Popular (PP).

Serra und Vargas stellen sich stur. Sie hätten von allem nichts gewußt, deshalb habe „die Regierung in diesem Fall keinerlei politische Verantwortung.“ Einzige Schlußfolgerung: Der Geheimdienst würde selbstverständlich unter die Lupe genommen und gegebenenfalls umstrukturiert.

Soviel Sitzfleisch stößt selbst in den eigenen Reihen auf Unverständnis. Rücktritte und Regierungsumbildung sei die einzige Lösung, sind sich die Sprecher der sonst verfeindeten Flügel der PSOE erstmals einig.

Gangster, Abenteurer, Presse – Condes Rache?

Allen voran Enrique Múgica Herzog, ehemaliger Justizminister und selbst Abhöropfer. „Das Mitschneiden von Telefongesprächen ist ein schwerer Eingriff in die Rechte der Bürger. Das Thema ist nicht mit Rücktritten technischer Art vom Tisch“, so seine Meinung. Die katalanischen Nationalisten der CiU, mit deren Unterstützung Felipe González in Madrid regiert, schließen sich dieser Kritik an.

Nur noch Felipe González und eine Handvoll ihm treu ergebenen Parteigrößen stützen Serra und Vargas. Dazu müssen die wildesten Spekulationen herhalten. Für Joaquin Leguina, PSOE-Vorsitzender in der Region Madrid, ist der Skandal nichts weiter als „das gemeinsame Vorgehen von Gangstern, Abenteurern, Financiers und Presse.“ Drahtzieher in seinen Augen: Der Bankier Mario Conde. 1993 hatte die Regierung die drittgrößte spanische Geschäftsbank Banesto enteignen lassen. Chef Conde wurde wegen illegaler Spekulationsgeschäfte angeklagt – und behauptet seither, die Regierung González habe sich dabei auf Informationen des CESID gestützt. Für Leguina ist der Fall klar: Conde will sich rächen – und habe daher zusammen mit einem ausgedienten CESID-Agenten die Enthüllungen eingefädelt.

Der Minister für Öffentliche Arbeiten und Transport José Borrell geht noch einen Schritt weiter. Für ihn ist die Verschwörungstheorie Grund genug, ein Ermittlungsverfahren gegen das Leck in der Verwaltung und gegen die Tageszeitung El Mundo einzuleiten, die die Skandale öffentlich machte. Der Informant und die Zeitung hätten durch die Veröffentlichungen gegen das Fernmeldegesetz verstoßen – und die Intimität der betroffenen Abhöropfer verletzt.

Am kommenden Mittwoch muß die Regierung vors Parlament. Die Opposition fordert, daß sich Felipe González selbst äußert, anstatt wie bislang vorgesehen seinen Vize Narcis Serra vorzuschicken. Mit Bauernopfern scheint es diesmal nicht getan.