■ Borussia Dortmund – die letzte Meisterschaft des Herzens
: Geld-Schwarz

Daß im Triumph der Samen des Niedergangs liegt, ist eine Binsenweisheit, die nirgendwo mehr stimmt als in der Fußball-Bundesliga mit ihrem jährlichen Rhythmus von Meisterschaft und Abstieg. Das weiß auch Gerd Niebaum, der Präsident von Borussia Dortmund. Und weil der freundliche Rechtsanwalt zudem ein echter Fan ist, folglich zum Pathos neigt, hat er verkündet: „Dies ist eine Meisterschaft des Herzens. Wir werden diesen Tag in unser weiteres Leben mitnehmen, und wir werden reicher sein.“ Dabei hat er ganz beseelt geschaut und sicherlich an die Hunderttausende Jubler auf Dortmunds Straßen gedacht – nicht aber an die Schecks der Fernsehanstalten für Borussias Spiele in der Champions League.

Borussia Dortmund verkörperte bislang nämlich die Idee, daß es im Fußball auch mit viel Geld schön sein kann. Besonders Präsident Niebaum ist es gelungen, den hinter Bayern München umsatzstärksten deutschen Klub als „Volksverein“ zu verkaufen. Bei jeder Gelegenheit beschwor er Borussias Traditionen und die Wichtigkeit des Vereins für „die Menschen in der Region“. Das war ohne Zweifel sein heiliger Ernst und ist zudem biographisch abgesichert. Schließlich ist Niebaum am klassischen Zechenstandort Lünen- Brambauer aufgewachsen und hat schon als jugendlicher Fan die Spiele seiner Borussia besucht.

Doch leider entpuppt sich das vermeintliche Gegenmodell zu Bayern München zunehmend als Etikettenschwindel – aus Gelb-Schwarz wird Geld- Schwarz. Früher sprach Niebaum von der langen Zeit, die die Profis bei Borussia blieben, und so konnten sich die Fans über Jahre mit den Spielern identifizieren. Heute sind nur noch einige Alibi-Dortmunder übriggeblieben. Immer häufiger greift Borussia in die übervolle Vereinskasse und kauft, was gut und teuer ist. Fast 40 Millionen Mark investierte der Klub in den letzten Jahren in neue Spieler, mehr als alle anderen Vereine. Zitterte die Konkurrenz früher vor den Anrufen von Bayerns Uli Hoeneß, heißt das Schreckgespenst heute Michael Meier, Manager des BVB. Zuletzt maulte man in Mönchengladbach erstmals über Dortmunder „Geldsäcke“, als Borussia mit einem zweistelligen Millionenbetrag den Gladbacher Torschützenkönig Heiko Herrlich aus seinem Vertrag kaufen wollte. Aber auch im kleinen, in der Vermarktung des eigenen Mythos, hat Borussia an Aggressivität zugelegt. Der Verein hat seine Merchandising- Rechte an den Medienriesen Ufa verkauft. Der Markt der Fan-Artikel wird damit monopolisiert – zugunsten von häßlichem Schrott. Dieser Ausverkauf hatte auch zur Folge, daß Fans, die in der Vorfreude auf die Meisterschaft eine Platte aufgenommen hatten, diese vom Verkauf zurückziehen mußten, als ihnen die Ufa mit einem Strafverfahren drohte.

Für einen Verein, der unablässig seine Volksnähe und die Verbundenheit zu seinen Fans zelebriert, ist so etwas bemerkenswerter als für Klubs, wo das Verhältnis zu den Fans längst nur noch ein wirtschaftliches ist. Der Dortmunder Niedergang droht weniger in der Tabelle, sondern durch ein Mißverhältnis zwischen Image und Wirklichkeit. Sollte diese Entwicklung weitergehen, ist am Samstag Borussias letzte Meisterschaft des Herzens gefeiert worden. Christoph Biermann