Anonyme Gen-Kartoffeln

■ EU will Gen-Früchte ohne Beratung zulassen / Griechenland ist eingeknickt

Brüssel (taz) – Die fünfzehn Agrarminister der Europäischen Union wollen heute in Brüssel heimlich, still und leise eine Biotechnologie-Richtlinie beschließen, nach der die Verbraucher nur im Ausnahmefall wissen sollen, was sie da zu sich nehmen. Gentechnisch manipulierte Lebensmittel müssen danach nur gekennzeichnet werden, wenn die Nährwerteigenschaften gegenüber herkömmlichen Produkten „wesentlich verändert sind“. Kleinere Eingriffe, etwa wenn die Tomatensaat im Labor nur gegen Pilzbefall resistent gemacht wurde, darf die Industrie dem Verbraucher verschweigen, und auch auf dem Tomatensaft muß nicht vermerkt sein, was die Biotechniker mit der Tomate angestellt haben.

Nach Informationen der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU einigten sich die Ministerialbeamten der Wirtschaftsminister am Freitag nachmittag auf unterer Ebene auf die umstrittene Richtlinie. Der Widerstand aus Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden wurde von einer knappen Mehrheit überstimmt.

Die griechische Regierung, die noch vor einer Woche Bedenken hatte und damit die nötige Zahl an Gegenstimmen sicherte, ist eingeknickt. Athen gab sich mit kosmetischen Zugeständnissen der Europäischen Kommission zufrieden.

Heute wird die Entscheidung von den Agrarministern deshalb ohne große Diskussionen vollzogen. Die Kennzeichnungspflicht für Genprodukte fällt eigentlich in die Kompetenz der Wirtschaftsminister. Aber es ist durchaus üblich, daß Fachminister eine Richtlinie beschließen, für die sie gar nicht zuständig sind. Voraussetzung dafür ist, daß die Mehrheitsverhältnisse vorher feststehen. Weniger üblich ist allerdings, daß dieses Verfahren auch bei so umstrittenen Themen wie der Gentechnologie angewendet wird. Jetzt kann nur noch das Europäische Parlament die Richtlinie zu Fall bringen. Alois Berger