Hessen will RWEs Altmeiler Biblis A stillegen

■ Der Reaktor in Biblis soll nicht der sein, der vor mehr als 20 Jahren genehmigt wurde / Bei Gutachten „sicherheitstechnisch“ erhebliche Abweichungen festgestellt

Frankfurt/Main (taz) – Eine „politische Entscheidung“, die sich technisch nicht begründen lasse, hat der Direktor des AKW Biblis (RWE), Klaus Dister, gestern den Entwurf für eine Stillegungsverfügung genannt, den ihm die hessische Atomaufsicht zugeschickt hatte. Schon mehrfach, schäumte Dister, habe die rot-grüne Landesregierung versucht, die Inbetriebnahme des Reaktorblocks nach einer Revision zu verhindern. Und immer seien die Hessen vom Bundesumweltministerium wieder in die Schranken gewiesen worden.

Doch diesmal scheint es ernst zu werden für Dister und die Betreibergesellschaft RWE. Dem hessischen Umweltministerium liegt nämlich seit dem 7. Juni ein juristisches Gutachten vor, in dem die in den siebziger Jahren erteilte Genehmigung für den Reaktorblock für obsolet erklärt wird. Für die hessische Ministerin für Umwelt und Energie, Iris Blaul (Bündnisgrüne), besteht nach der Lektüre des Gutachtens der „dringende Verdacht, daß die Anlage anders errichtet wurde, als sie genehmigt worden ist“. Der Block A des AKW Biblis, so die Sprecherin des Ministeriums, Renate Gunzenhauser, weiche „sicherheitstechnisch“ von der erteilten Genemigung ab. Das betreffe vor allem den Reaktorkühlkreislauf und den Dampferzeuger, Herzstücke des Reaktors.

Bis Ende dieser Woche soll sich RWE im Rahmen einer Anhörung zu den Vorwürfen äußern. Falls sich der Verdacht des Betriebes einer nicht genehmigten Anlage bestätigen sollte, so Gunzenhauser, bleibe der Atomaufsicht nach dem Atomgesetz gar keine andere Wahl: „Dann muß Biblis A stillgelegt werden.“ RWE hat inzwischen um eine Verlängerung der Anhörungsfrist nachgesucht. Ein Stillegungsbescheid, so Dister, greife ohnehin erst, wenn der Reaktor – nach der Revision – im Juli wieder angefahren werden müsse.

Biblis A ist der älteste Großreaktor der Bundesrepublik (1974). Selbst der christdemokratische Landesumweltminister Weimar forderte Ende der achtziger Jahre umfangreiche Um- und Nachrüstungsmaßnahmen für den störanfälligen 1.200-Megawatt-Reaktor. Bis heute hat RWE nur einen Teil dieser Auflagen erfüllt – angeblich wegen der „schleppenden Genehmigungspraxis“ der Atomaufsicht unter den bündnisgrünen UmweltministerInnen Joschka Fischer, Rupert von Plottnitz und Iris Blaul. Nach einem Großbrand in der Steuerzentrale 1994 und der sich anschließenden Stillegungsverfügung durch Fischer konnte RWE den Atommeiler nur durch eine Intervention von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) wieder in Betrieb nehmen. Klaus-Peter Klingelschmitt