Tschernomyrdin will einlenken

■ Um die Geiselnahme zu beenden, kündigt der Premier Waffenruhe für Tschetschenien an

Moskau (taz) – Moskaus Führung scheint bereit, nicht nur die Geiselnahme in der südrussischen Stadt Budjonnowsk, sondern auch den Krieg in Tschetschenien friedlich zu beenden. Nach zwei Telefongesprächen, die der russische Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin mit dem Anführer der Geiselnehmer, Schamil Bassajew, führte, kündigte Tschernomyrdin gestern an, eine Waffenruhe für Tschetschenien ausrufen zu wollen. Im Gegenzug sollen die Rebellen die von ihnen in einem Krankenhaus von Budjonnowsk festgehaltenen Kinder, Frauen, Alten, Kranken und Verletzten freilassen. In einem zweiten Schritt, so eine von beiden Seiten ausgehandelte Erklärung, muß die russische Führung eine Delegation für Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Tschetschenienkrieges ernennen.

Noch am Samstag hatte es nach einer gewaltsamen Beendigung der Geiselnahme ausgesehen. Zweimal versuchten russische Eliteeinheiten, das Spital zu stürmen. Dabei wurden die beiden oberen Stockwerke in Brand geschossen, mindesten 30 Geiseln kamen ums Leben. Über die Gesamtzahl der Festgehaltenen herrscht Unklarheit, Schätzungen reichen von mehreren hundert bis zu 2.000. Über 500 festgehaltene Frauen und Kinder kamen seit Beginn der Geiselnahme am Mittwoch frei, über 100 starben.

Ob die Vereinbarung zwischen Tschernomyrdin und Bassajew umgesetzt wird, ist ungewiß. Der Premier verwies darauf, daß die gesamte Moskauer Führung dem Dokument zustimmen müsse. Die Rebellen forderten, daß ihnen ein Flugzeug zum Verlassen von Budjonnowsk zur Verfügung gestellt werde. Außerdem wollen sie 50 Geiseln mitnehmen. Tatsächlich sieht der dritte Punkt des Dokuments freies Geleit für die Männer Bassajews vor, Bedingung ist aber die Freilassung aller Geiseln. Tagesthema Seite 3