Polizei muß für Ruhe und gute Luft sorgen

■ Silbersteinstraße: Klage gegen Lärm und Luftverschmutzung erfolgreich

Die Klagen zweier Anwohner aus der Silbersteinstraße in Neukölln gegen die Polizei wegen Lärm und Luftverschmutzung hatten gestern Erfolg. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts muß die Polizei prüfen, ob in der Silbersteinstraße Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung ergriffen werden können.

Dies hatte die Polizei bislang abgelehnt und darauf verwiesen, daß ein Gesamtverkehrskonzept für Berlin abgewartet werden müsse. Vorher könnten in der Straße, durch die täglich 30.000 Autos fahren, keine Maßnahmen ergriffen werden. Die fünf Richter urteilten dagegen, daß die Polizei nicht ausreichend auf den Einzelfall „Silbersteinstraße“ eingegangen sei. Klägeranwalt Wolfram Sedlak sagte nach der Verhandlung: „Das ist ein voller Erfolg.“

Tagsüber verursacht der Autostrom in der schmalen und dicht bebauten Silbersteinstraße eine ständige Geräuschkulisse, nachts donnerten achtachsige LKWs an seinem Fenster vorbei, schilderte der Kläger Kai Laborenz die Geräuschkulisse in seiner Wohnung. Die beiden klagenden Neuköllner verlangten deswegen 1993 von der Polizei, Nachtfahrverbote für LKWs zu verhängen, eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder andere Maßnahmen gegen Lärm und Luftverschmutzung.

Der Polizeipräsident lehnte ab. Nicht einmal Messungen wollte er in der Straße vornehmen. Rechtlich verbindliche Grenzwerte gibt es sowieso nicht und außerdem brauche Berlin ein leistungsfähiges Gerüst an Hauptverkehrsstraßen, argumentierte die Polizei. Messungen der Umweltverwaltung ergaben für die Silbersteinstraße tagsüber einen Lärmpegel von 78 Dezibel; auch in der Nacht lag der Wert noch bei unerträglichen 69 Dezibel. Trotz eines fehlenden Gesamtkonzeptes für den Berliner Stadtverkehr müsse die Behörde einen Einzelfall genau prüfen, wenn ein Bürger sich belästigt fühlt, urteilten die Verwaltungsrichter. In einem solchen Fall seien eigene Messungen vorzunehmen und zu prüfen, welche einzelnen Maßnahmen vorgenommen werden könnten. Darauf habe jeder Bürger einen Anspruch. „Da fällt mir ja schon etliches ein, was man machen kann. Nichts davon haben Sie geprüft“, warf die Vorsitzende Richterin gestern dem Behördenvertreter vor.

Trotz des Urteils wird sich aber die Verkehrssituation in der Silbersteinstraße nicht sofort verbessern, ist die Erwartung der Kläger. Dies nämlich hängt von der erneuten Entscheidung der Polizei ab. Ob die Polizei Berufung einlegt, blieb gestern offen.

Das gestrige Verfahren war das erste von 25 weiteren gegen die Polizei wegen Luft- und Lärmbelästigungen. Unter anderem klagen Anwohner der Frankfurter Allee, der Bismarck- und Lewishamstraße in Charlottenburg sowie der Brückenstraße in Mitte. Nina Kaden