Die Nacht auf dem kahlen Berge

■ Kleine Vorschau auf das Kölner Filmfestival „Digitale 95“

Siegfried Zielinski liebt es literarisch. Bei einer Pressekonferenz am Rande der Kölner Medientage schwadronierte der Rektor der Kölner Kunsthochschule für Medien erst mal 20 Minuten über mittelalterliche Alchemisten, bevor er zur Sache kam: Man plant für den Herbst ein „Ereignis“ (früher hieß so was wohl Symposium), das sich mit dem Kino im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit und Manipulierbarkeit befassen will. Vom 18. bis zum 20. Oktober 1995 soll in Köln tagsüber ein Fachpublikum von etwa 100 Teilnehmern über neue Entwicklungen im Kino diskutieren. Abends will man einem breiteren Publikum Filmemacher vorstellen, die sich mit dem Einfluß der digitalen Technologien auf das Kino befassen, wie der „Künstler-Ingenieur“ Zbigniew Rybczynski und Larry Cuba, Autor des ersten völlig computergenerierten Films.

Die übrigen Gäste versprechen allerdings eher eine Nacht auf dem kahlen Berge als ein Filmfestival: „Alchemisten des nächsten Jahrhunderts“ und „Kino-Utopisten“ sollen „für drei Tage ihre Laboratorien zugänglich machen, präsentieren, woran sie köcheln...“ Verzichtet man auf das Wortgeklingel, bleiben drei Themenschwerpunkte, mit denen sich das Kino in Zukunft auseinandersetzen muß: Erstens die elektronische Bildmanipulation à la „Forrest Gump“, in der herkömmliche Kinobilder mit Material aus dem Computer verschnitten werden. Zweitens der Einsatz von Special-effects: Digitale-95-Leiter Kirk Woolford fantasierte von Kinos, in denen Stürme blasen und die Erde bebt – also Gimmicks ähnlich den technischen Spielereien, mit denen man in den 50er und 60er Jahren erfolglos versuchte, das Fernsehpublikum zurück in die Kinos zu locken: 3-D-Film, 180-Grad-Leinwände, Odorama, Cinemascope etc.

Das dritte Thema ist das interessanteste: Wird es gelingen, das klassische Kino mit den interaktiven Elementen von Videospielen und Multimedia-Anwendungen zu verschmelzen? Die Digitale-Organisatoren bereisen derzeit die USA und Europa auf der Suche nach Pionieren der neuen Technologien. Wenn sie im Oktober Leute präsentieren, die Antworten auf diese Frage liefern, könnte das Festival eine spannende Sache werden.

Mit Filmfestivals hat man in Köln freilich seine Erfahrungen: Ein großangelegtes Filmfest endete nach zwei Auflagen mit einer ebenfalls großangelegten Pleite. Und das Frauenfilm-Festival „feminale“ balanciert seit Jahren am Rande des Armengrabes. So soll es der Digitale nicht ergehen: „Wir wollen das Festival!“ betonte Manfred Mai von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen. Obwohl vorerst nur eine Digitale geplant wird, soll das Festival im Erfolgsfall jährlich veranstaltet werden. Tilman Baumgärtel