SPD wartet stille

■ Entscheidung über Einsatz der Bundeswehr in Bosnien erst später

Bonn (taz) – Wann wird darüber entschieden, ob und wie Bundeswehr-Soldaten in Bosnien eingesetzt werden? Hieß es gestern vormittag noch, daß das Bundeskabinett erst Mittwoch nächster Woche darüber entscheiden wolle, bezeichnete das Verteidigungsministerium diese Prognose nachmittags als „Spekulation“. Auch für die heutige Kabinettssitzung steht Bosnien auf der Tagesordnung. Entscheiden will das Kabinett aber jetzt laut Kanzleramtsminister Bohl erst auf einer Sondersitzung, die bis zum nächsten Montag stattfinden soll. Die Entsendung der deutschen Soldaten bedarf außerdem der Zustimmung des Bundestags. Und der soll – so heißt es – am 29. Juni sein Votum abgeben.

Die Sozialdemokraten, die seit der Entscheidung des Bundesvorstands gegen Einsätze deutscher Kampfflugzeuge im ehemaligen Jugoslawien heftig über das Pro und Contra von Tornado-Einsätzen streiten, wollen erst dann einen endgültigen Beschluß zu einer deutschen Beteiligung am UN- Einsatz in Bosnien fällen, wenn die Bundesregierung „weiß, was sie will“. Darauf verwies SPD-Chef Rudolf Scharping gestern. Er warf der Regierung vor, nicht den „leisesten Versuch“ unternommen zu haben, um zu einem Konsens mit der Opposition zu kommen. Dies sei „ein gänzlichst unangemessenes Vorgehen“, zumal die Regierung den Eindruck erwecke, als wolle sie Einvernehmen erzielen.

Scharping vermißt eine klare Linie in der Bosnien-Politik der Bundesregierung und fürchtet eine „dramatische Veränderung der deutschen Position“. Denn Deutschland werde „faktisch Truppensteller“, wenn die Bundesregierung die Mittel, die sie für einen Abzug oder eine Umgruppierung der UN-Truppen zur Verfügung stellen wolle, nun für ein Engagement bereitstelle, das „zeitlich und inhaltlich nicht limitiert“ sei. Scharping zeigte Verständnis für jene Sozialdemokraten, die eine Entsendung deutscher Kampfflugzeuge für notwendig halten: „In einer solchen Frage ist mit formalisierter Disziplin nichts zu machen.“ Es ärgere ihn aber, daß einige Genossen die Diskussion zu einer Verschärfung der innerparteilichen Debatte mißbrauchten. Karin Nink