piwik no script img

Ein fauler Kompromiß

■ Was der Bundestag beschließen soll, wird der Dritten Welt nichts nützen und der deutschen Industrie nicht schaden

Wenn nichts dazwischen kommt, wird der Bundestag nächste Woche – erstmals in seiner Geschichte und in letzter Minute vor der Sommerpause – eine Entschließung verabschieden, durch die die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für die Ächtung von Landminen einzusetzen. Heute wird im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages über die Entschließung beraten. „Der Deutsche Bundestag“, heißt es darin, „fordert die Bundesregierung auf, sich für ein weltweites Entwicklungs-, Produktions-, Export-, und Einsatzverbot von fernverlegten Minen ohne Selbstzerstörungsmechanismus und von metallosen Minen einzusetzen ...“

Was sich auf den ersten Blick radikal ausnimmt, löst bei Eingeweihten allerdings Enttäuschung aus. „Die Entschließung, die dem Bundestag jetzt zur Abstimmung vorliegt“, so Thomas Gebauer von medico international, „wird an der furchtbaren Lage der potentiellen Minenopfer in der Dritten Welt nichts ändern, im Gegenteil: Der weitere Einsatz von Minen wird legitimiert.“

Ganz im Gegensatz dazu sehen sich Abgeordnete wie der CDU- Mann Friedberg Pflüger und sein SPD-Kollege Volker Kröning mit ihrem Antrag auf dem Weg der guten Tat. Im Dienst der Sache habe man sich auf einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, FDP und SPD geeinigt, „um so der Bundesregierung wirkungsvoll den Rücken zu stärken“.

Unterstützt werden soll die Bundesregierung in einer restriktiven Haltung auf der Mitte September in Wien beginnenden Überprüfungskonferenz der UNO zum Einsatz von Landminen (siehe Kasten Seite 2). Seit Oktober 1980 existiert ein UN-Waffen-Übereinkommen „Über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können“. Dieses Übereinkommen trat am 2. Dezember 1983 in Kraft, wurde aber erst von 42 Staaten ratifiziert.

Als Vorbereitung auf die Beschlußempfehlung für die Bundesregierung hat der Bundestag bereits im Mai einmal über den Einsatz von Minen diskutiert. Damals wollte sich auch die CDU noch für ein generelles Verbot von Minen, die gegen Personen gerichtet sind, einsetzen. Pflüger, der den Antrag der CDU begründete, erklärte kategorisch: „Es gibt keinen Zweck der Welt, der solche Mittel heiligt. Im Gegenteil: Jedes politische Ziel, und sei es noch so edel, wird durch das Mittel Anti-Personen- Minen diskreditiert.“

Vor sechs Wochen bestand zwischen Koalition und Opposition noch in zwei Fragen Dissens: Sollte man sich für ein Verbot sämtlicher Landminen einsetzen, oder aber Anti-Panzer-Minen weiterhin zulassen? Und sollen zukünftig noch Gelder für Forschung und Entwicklung von Minentechnik zur Verfügung gestellt werden? Immerhin sind im Bundeshaushalt 95 knapp 400 Millionen Mark dafür ausgewiesen, jeden Tag werden mehr als eine Million Mark öffentliche Gelder in die Erforschung von Minen gesteckt.

Seit vier Jahren gibt es eine internationale Kampagne gegen den Einsatz von Landminen, die in Deutschland von medico international, aber auch den kirchlichen Organisationen Brot für die Welt und Caritas, dem Jesuit Refugee Service und anderen entwicklungspolitisch tätigen Organisationen unterstützt wird. Die Kampagne soll die vollständige Ächtung sämtlicher Minen durchsetzen. Außerdem fordern die Organisationen die Bereitstellung ausreichender Mittel aus den Industrienationen, um die Minenfelder des Kalten Krieges in der Dritten Welt wieder zu räumen.

Gemessen an diesem Ziel ist der Entschließungsantrag, den Koalitionsparteien und SPD nach intensiven Ausschußberatungen jetzt vorlegen, tatsächlich eine einzige Enttäuschung. Nicht nur daß die SPD von ihrem Nein zu Panzerminen abgerückt ist – noch nicht einmal bei dem kategorischen Nein von Friedbert Pflüger zu Anti-Personen-Minen ist es geblieben. Auf Druck der eigenen Militärs, die selbst bei den zukünftigen Krisenreaktionskräften der Bundeswehr nicht auf Anti-Personen-Minen verzichten wollen, soll jetzt nur noch eine veraltete und in Deutschland nicht produzierte Minengeneration verboten werden.

Moderne Minen, wie sie in den USA und Westeuropa jetzt gebaut werden, haben einen Selbstzerstörungsmechanismus, der nach einem beliebigen Zeitraum aktiviert werden kann. Nach Auffassung von medico-Mitarbeiter Thomas Gebauer nutzt das den Menschen, deren Felder vermint wurden, aber „herzlich wenig.“ Denn auch moderne Minen haben eine Ausfallquote von rund zehn Prozent. Im Golfkrieg versagte der Selbstzerstörungsmechanismus sogar in noch weit höherem Ausmaß.

„Beim Räumen von Minen“, so Gebauer, „muß man also nach wie vor jede einzelne Mine untersuchen. Der Aufwand bleibt der gleiche wie bei den alten Minen auch.“ Das gilt auch für die Kosten. Da sieht es mit dem Einsatz der Deutschen ziemlich mau aus. Ein UN- Fonds zur Unterstützung von Minenräumaktionen ist von Bonn noch nicht bedient worden und die EU hat ganze drei Millionen ECU zur Verfügung gestellt – gerade genug, um 4000 Minen unschädlich zu machen.

Damit bleibt die Hauptlast für den Kampf gegen die „versteckten Mörder“ bei den regierungsunabhängigen Organisationen. Medico und andere in der Anti-Minen- Kampagne zusammengeschlossenen Organisationen haben Minenräumprojekte in Kurdistan, Salvador, Ruanda und Kambodscha unterstützt. „Die Kampagne muß weitergehen“, so Gebauer, „dann wird der Druck auch weiter wachsen.“ Gebauer beruft sich auf einen prominenten Kronzeugen. In der Zeitschrift Foreign Affairs von Oktober letzten Jahres hat UN- Generalsekretär Butros Ghali in einem Aufsatz über das Problem der Landminen darauf verwiesen, daß auch die Ächtung von biologischen und chemischen Waffen nicht von heute auf morgen durchgesetzt werden konnte. Jürgen Gottschlich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen