Russischer Rückzug?

■ Konvoi der Geiselnehmer in Tschetschenien / Unklarheit über Verhandlungen in Grosny

Moskau (AFP/dpa/taz) – Die Geiselnehmer von Budjonnowsk haben laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS gestern abend die Grenze nach Tschetschenien überschritten. Ihre 139 Geiseln sollten bald freigelassen werden. Schon im Lauf des Tages hatten russische Medien wiederholt berichtet, daß die 143 tschetschenischen Rebellen mit ihren Gefangenen bereits in Tschetschenien seien. Der Konvoi war aber mehrere Stunden in Chassawjurt in der Kaukasusrepublik Dagestan aufgehalten worden, umstellt von drei Reihen russischen Panzern und Hunderten von Einwohnern. Grund für die Verzögerung war offenbar eine neue Forderung des Rebellenchefs Schamil Bassajew. Er wollte erneut mit dem russischen Ministerpräsidenten Viktor Tschernoymrdin verhandeln und von ihm schriftliche Garantien für das zuvor zugesagte freie Geleit erhalten. Dieses freie Geleit sollte jedoch nur für die Fahrt des Fahrzeugkonvois bis zur tschetschenischen Grenze gelten. Unklar blieb, ob Bassajews Nachforderungen Erfolg hatten.

Am Montag abend waren die sechs Busse von den russischen Truppen in Tschetschenien an der Einreise gehindert und zu einem großen Umweg gezwungen worden. In nationalistischen Kreisen Rußlands gibt es erheblichen Unmut über Tschernomyrdin, da sich dieser den Forderungen der Geiselnehmer gebeugt habe. Präsident Boris Jelzin lobte den Premier dagegen ausdrücklich.

In Grosny wurden die Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges wiederaufgenommen. Dabei einigten sich Tschetschenen und Russen auf einen Waffenstillstand, der vom heutigen Mittwoch bis Freitag gelten soll. Unklar war jedoch, ob sich beide Seiten – wie von der russischen Nachrichtenagentur Interfax gemeldet – auf einen weitgehenden Rückzug der russischen Armee geeinigt haben. Demnach würden russische Soldaten lediglich in drei zu Militärzonen erklärten Kleinstädten sowie in Grosny stationiert werden.