Ein Friedensstifter?

■ Jelzingegner und Berufstschetschene Chasbulatow macht wieder von sich reden

Moskau (taz) – Von Anbeginn seiner Karriere an galt Ruslan Imranowitsch Chasbulatow (53) als Wechselbalg in der russischen Elite. Als Tschetschene wurde er in Kasachstan geboren, wo sich seine Eltern mit ihrem ganzen Volk im Exil befanden. 1990, als sich Boris Jelzin auf den langen Marsch zur russischen Präsidentschaft begab, führten seine Mitarbeiter die beiden zusammen, weil sie meinten, daß aus ihnen ein gutes Team werden könnte. Und für einige Zeit gaben sie dann ein Pärchen ab, wie Kastor und Pollux. Doch schon wenig später begann Chasbulatows Kampf mit dem russischen Präsidenten. Der stolze Tschetschene konnte es Jelzin nicht verzeihen, daß dieser ihn nicht zum Ministerpräsidenten gemacht hatte. Seine Machtbastion, das Weiße Haus, wurde für Chasbulatow schließlich zum Kuckucksnest, als es im Oktober 1993 völlig ausbrannte. Aber der kluge Taktierer entstieg dem Gefängnis „Matrosenruhe“ wie ein Phönix aus der Asche.

Bereits im letzten Sommer erinnerte sich Ruslan Imranowitsch besonders intensiv seiner Landsleute und setzte in einem Ansatz zur politischen Karriere auf die tschetschenische Karte. Der Krieg kam ihm dazwischen. Und so legte sich Chasbulatow ein neues Image zu. Einen Tag vor dem erwarteten Mißtrauensvotum gegen Ministerpräsident Tschernomyrdin zeigt er sich edelmütiger und verzichtbereiter denn je. Ruslan Imranowitsch behauptet von sich, keinerlei Ämter mehr anzustreben und fragt auf dem schwarzen Ledersofa: „Ist diese Position in der Hochschule nicht würdig genug?“

Als Ein-Mann-Friedenstruppe hat er in letzter Zeit Pläne für eine Friedensordnung um Tschetschenien entwickelt und in Broschüren sowie auf internationalen Konferenzen, vorgestellt. „Ich will meine hohe moralische Autorität benutzen, um sowohl den Tschetschenen als auch den Russen zu helfen“, bemerkt er bescheiden und fährt fort: „Das tschetschenische Volk braucht jetzt vor allem inneren Frieden“.

Auf die Frage, wie frau sich das praktisch vorzustellen habe, erzählt er von seinen erfolgreichen Aktionen im letzten Sommer. „Immer wieder kamen Männer zu mir und sagten: Ruslan, versöhn' mich doch mit dem und dem. Na dann habe ich Botschafter hingeschickt.“ Und weil diese eine so hohe Autorität besaßen, schließlich waren sie von ihm geschickt worden, habe er nach und nach und mit viel Zeitaufwand 50 Verträge über die Beendigung von Blutrachen initiieren können. So erzählt der studierte Ökonom voller Stolz.

Chasbulatows Grundvoraussetzungen für einen Frieden entsprechen dem gesunden Menschenverstand: Beendigung der Kampfhandlungen, Abzug der Truppen, freie Wahlen unter Überwachung einer internationalen Organisation. „Obwohl mich der Westen gerade jetzt in Halifax wieder ganz fürchterlich enttäuscht hat“, gesteht er: „Der internationale Währungsfonds finanziert nicht nur den Krieg gegen das tschetschenische Volk, sondern auch die Umwandlung Rußlands in einen Polizeistaat.“

Auf den vorsichtigen Einwand, daß die Ereignisse in Budjonnowsk dabei eine Rolle gespielt haben könnten, schnappt er ein. Und plötzlich erkenne ich den einstigen Parlamentsvorsitzenden wieder: „Na so was, na was sind denn das für Leute, die dort tagen, empfindsame Jungfrauen, die sich Augenblicksstimmungen hingeben oder Politiker mit soliden Hintergrundkenntnissen?“

Noch kann Chasbulatows Sekretärin gelegentlich Computerspiele spielen. Aber im Vorzimmer drängeln sich die Fernsehgesellschaften. Alle Konkurrenten Chasbulatows in Tschetschenien sind diskreditiert. Präsident Dudajew durch den Krieg, Moskaus Männer Sulambek Hadschijew und Umar Awturechanow, weil sie eben Moskaus Männer sind. Ruslan Imranowitsch überschüttet sie mit Spott und pafft seine Pfeife. Politisch betrachtet sieht sie nicht wie eine Friedenspfeife aus. Barbara Kerneck