Ecstasy ist nichts für Kranke

■ Berlins angeblich erster Ecstasy-Toter starb laut Nachuntersuchung an Drogenmix und Herzschwäche

Andreas S., der angeblich erste Ecstasy-Tote Berlins, ist nicht an dieser in der Techno-Szene verbreiteten Droge allein gestorben. Dies ist das Ergebnis von Nachuntersuchungen zur Obduktion der Leiche. „An den im Körper des Toten in niedriger Dosierung gefundenen Giftstoffen stirbt kein Gesunder“, versicherte Professor Volkmar Schneider vom Rechtsmedizinischen Institut der FU, wo die Leiche obduziert wurde.

Die Nachricht vom angeblich ersten Ecstasy-Toten Berlins hatte vor einem Monat für große Aufregung und Medienrummel gesorgt. Die Senats-Drogenbeauftragte Elfriede Koller hielt es damals sogar für erwiesen, daß Ecstasy so gefährlich sei wie Heroin oder Kokain. Von Hardlinern der Drogenpolitik wurde gefordert, das „Legalisierungsgefasel über sogenannte weiche Drogen“ nun endlich zu beenden.

Laut Obduktionsbericht fanden sich in Leber, Blut und Harn des Toten Spuren von Amphetaminderivaten, die in Form der sogenannten Ecstasy-Pillen in großen Mengen von Ravern als Aufputschmittel beim Tanzen geschluckt werden. Andreas S. aber hatte nach den gegenwärtigen Befunden nicht mehr als zwei der Ecstasy-Pillen genommen, insgesamt etwa 200 Milligramm. Wissenschafler gehen davon aus, daß 500 Milligramm tödlich sind. „Aber natürlich reagieren Menschen mit einer Vorschädigung der Organe anders. In diesem Fall bedurfte es nur einer geringen zusätzlichen Belastung“, weist Schneider auf den labilen Gesundheitszustand von Andreas S. hin. Tatsächlich wissen die Mediziner jetzt, daß die ausgesprochen schlaffen und geweiteten Herzkammern des Toten nicht vornehmlich auf den Drogenkonsum zurückzuführen sind. Vielmehr resultiert die Herzerweiterung daraus, daß Andreas S., der bis vor einem Jahr Leistungssportler war, mit dem Schwimmen abrupt aufhörte, ohne seinen Körper abzutrainieren.

„Ecstasy hat Andreas vielleicht die klare Wahrnehmungsfähigkeit genommen, so daß er nicht mehr wußte, wo seine Grenzen sind, aber ursächlich für seinen Tod war es nicht“, mutmaßt Hans Custo vom Verein „Eve & Rave“, der sich intensiv mit der Drogenproblematik in der Techno-Szene beschäftigt. Was die Mediziner herausgefunden haben, war den Freunden des Toten längst bekannt. „Andreas klagte häufiger über Kreislaufprobleme und Schwindelanfälle“, erinnert sich Custo.

In der Jackentasche des Toten fanden die Mediziner eine nahezu leere Flasche mit einem Rest Isobutylnitrit. Die Chemikalie, in der Drogenszene besser bekannt unter dem Namen „Poppers“, putscht den Kreislauf auf. Die Mediziner vermuten, daß Andreas den nach Leim riechenden Stoff kurz vor seinem Tod geschnüffelt hat. Spuren von Isobutylnitrit fanden sich bei der Untersuchung nicht, da der Stoff in Minuten abgebaut wird.

„Letztlich kann man wahrscheinlich sagen, daß Andreas aufgrund seiner Herzschwäche sowie der Wirkung von Ecstasy und Poppers gestorben ist“, mutmaßt Hans Custo, der gerade an einem Buch über Drogen und Techno arbeitet. Anstelle des „wirklichkeitsfremden Geredes von einer drogenfreien Gesellschaft“ setzt der Autor auf Aufklärung über die möglicherweise schädliche Wirkung von Drogen. Holger Heimann