Weil sie klauen wie die Raben

USA: Hotels spionieren Gästen nach, die sich an Handtüchern vergreifen  ■ Von Wolfgang Will

Mit Sicherheit sind nicht nur amerikanische Hotels betroffen: Gäste lassen mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Selbst aus luxuriösen Häusern, wo die Nacht nicht unter 400 Dollar kostet, verschwinden beispielsweise Handtücher zu Tausenden – als ob ein Gast, der sich die Bleibe so viel kosten läßt, nicht auch ein Handtuch für 30 Dollar erstehen könnte. Im berühmten und auch teuren „Hotel del Coronado“ bei San Diego in Kalifornien verschwanden allein im letzten Jahr 3.600 Hand- und Badetücher – eine Verlustrate von 50 Prozent. Bei der Motelkette „Holiday Inn“ geht alle elf Sekunden ein Handtuch „verloren“.

Jetzt setzen sich die Hotels zur Wehr, mit ungewöhnlichen, zum Teil fragwürdigen, oft unangenehmen Methoden.

Da wird den Gästen beispielsweise regelrecht nachgeschnüffelt oder hinterherspioniert. Im „Sheraton New York Hotel and Towers“ sind die dreihundert Zimmermädchen gehalten und entsprechend trainiert worden, ein Auge auf die Gäste und deren Gepäck zu richten – unverfänglich natürlich, aber selbst dann, wenn der Gast noch in seinem Zimmer ist. Sie müssen sofort melden, wenn im Zimmer etwas fehlt. Im Erfolgsfall können diese Spioninnen eine Prämie von 25 Dollar kassieren – oder sie werden von der Hotelküche zu einem kostenlosen Dinner eingeladen. „Wir sehen darin keine Schnüffelei“, meint der Sicherheitsdirektor des Hotels, „wir geben den Zimmermädchen lediglich mehr Verantwortung.“

Die „Boys“, die in den „Ramada“-Hotels das Gepäck vom Zimmer holen, haben eine ähnliche Aufpasser-Funktion: Sie informieren sich blitzschnell, was im Zimmer noch vorhanden ist, was fehlt. Damit dem Gast noch vor der Abreise – dezent natürlich, ohne Aufsehen – die entsprechende Rechnung präsentiert werden kann: für die Nachttischuhr, das Handtuch – oder sonstwas.

Fernsehgeräte anschrauben, Bilder an der Wand festnageln – das sind die Methoden von gestern. High-Tech hat bei der Abwehr von Hoteldiebstählen Einzug gehalten: So gibt es Zimmerschlüssel mit integriertem Chip, die genau aufzeichnen, wann der Gast sein Zimmer betreten, wann er es verlassen hat. Selbst die Minibars werden mit versteckten Sensoren bestückt. Sie registrieren, wann welches Getränk entnommen worden ist. So kann kein Gast behaupten: „Zu der Zeit war ich gar nicht auf meinem Zimmer!“ Ob das alles Sinn macht, bleibt fraglich – vielleicht wollen die US-Hoteliers ja auch in erster Linie abschrecken. Denn sie verlieren durch derartiges Mitgehenlassen – von „Diebstahl“ wollen erwischte Gäste absolut nichts hören und wissen – um die 100 Millionen Dollar pro Jahr, berichtete das Wall Street Journal kürzlich.

Sogenannte Sicherheitstore, wie sie an Flugplätzen im Einsatz sind, haben mehrere amerikanische Luxushotels erprobt. Alle abreisenden Gäste müssen mit ihrem Gepäck solche Gates passieren. Hatten sie etwa ein Handtuch mitgenommen oder ein Bettlaken, vielleicht auch einen Kopfkissenbezug, erscholl beim Durchschreiten der Sicherheitszone ein Pfeifton. Denn in alle Laken, Handtücher usw. waren, wie mit Bekleidung in Kaufhäusern und Boutiquen üblich, unsichtbare Sensoren eingenäht worden. „Das ist schon etwas extrem“, meint Hotelbesitzer George Usher (Studio Lodge, North Hollywood, 107 Zimmer), „aber dieses System erspart mir Tausende von Dollars.

Die wenigsten Gäste sind mit solch drastischen Maßnahmen einverstanden. Aber nichts deutet darauf hin, als würden die Hotels, die zu derartigen Überwachungen greifen, klein beigeben. Auf Beschwerden reagieren speziell ausgebildete Hotelangestellte freundlich und erklärend.

Wahrscheinlich gehört die Gästeüberwachung in Hotels bald zum Reisealltag wie die Sicherheitsüberprüfungen an internationalen Flugplätzen. So sieht es jedenfalls der amerikanische Hoteliersverband.