Euro-Schnecken unterwegs

Umweltminister beschließen eine Reihe löchriger Umweltregeln: Mehr Daten bei Giftküchen und neue Artenschutzverordnung  ■ Aus Luxemburg Alois Berger

Dänemark sei „der schmutzige Mann Europas“, keifte der britische Umweltminister John Gummer, und auch die Deutschen und die Niederländer würden in zehn Minuten mehr Dreck in die Nordsee leiten, als die Versenkung einer Ölplattform verursachen könnte. Die gescheiterte Versenkung der Brent Spar wirbelte also auch beim Treffen der EU-Umweltminister am Donnerstag in Luxemburg viel Schlamm auf.

Aber dann kehrte doch recht schnell Gelassenheit ein. Der Brite sei in einer schwierigen Lage, versuchte der dänische Umweltminister Sven Auken die Wogen zu glätten, da müsse man Verständnis haben. Zu einer gemeinsamen Haltung, wie künftig mit abgewrackten Bohrinseln umgegangen werden soll, konnten sich die Minister aber noch nicht durchringen.

Bundesumweltministerin Angela Merkel kündigte an, beim Treffen der Vertragsstaaten der Oslo-Paris-Konvention nächste Woche den niederländischen Vorstoß zu unterstützen, nach dem die Versenkung von Bohrinseln ganz verboten werden soll. Bisher untersagt die Konvention nur die Verklappung von giftigen Chemieabfällen und schreibt für die Versenkung von Industrieschrott im Meer eine Genehmigung vor.

Immerhin beschlossen die Umweltminister ein paar neue Regeln für den Umweltschutz an Land. Sie einigten sich beispielsweise über die Genehmigung von industriellen Großanlagen. Die Regierungen dürfen Raffinerien, Zementwerke oder Stahlhütten künftig nur zulassen, wenn sie in bezug auf die Umweltbelastung mit den „besten verfügbaren Techniken“ ausgerüstet sind. Aber keine EU-Regel ohne Schlupfloch: In weniger belasteten Regionen, etwa in Griechenland oder Spanien, gilt nicht derselbe Maßstab wie im hochindustrialisierten Norden.

Bestehende Anlagen müssen „nach einer angemessenen Übergangsfrist“ nachgerüstet werden, damit sie den EU-Emissionsgrenzwerten entsprechen. Dabei brauchen die Unternehmen aber noch nicht in Hektik zu verfallen, weil diese Grenzwerte erst noch festgelegt werden müssen.

Auch für die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität haben die Umweltminister eine Rahmenrichtlinie beschlossen. In den nächsten Jahren müssen nun einheitliche Meßverfahren für 13 Schadstoffe eingeführt werden, damit man die Luftqualität in den EU-Ländern miteinander vergleichen kann. Das ist schon ein erheblicher Fortschritt. In einigen EU- Staaten wie beispielsweise Luxemburg gibt es bisher so gut wie keine umwelttechnische Luftüberwachung. Irgendwann, so versprachen die Umweltminister, würden sie sich dann auch noch auf einheitliche Grenzwerte einigen.

Die Zeit für die lange diskutierte „Seveso“-Verordnung war endlich reif. Der Name kommt von dem Chemieunfall in Italien, bei dem die Bevölkerung tagelangem Dioxinregen ausgesetzt war, ohne daß die verursachende Firma sie informiert hat. Die Umweltminister beschlossen deshalb, daß die Betreiber gefährlicher Anlagen künftig verpflichtet sind, alle zur Einschätzung der Gefahr nötigen Informationen herauszurücken. Außerdem müssen detaillierte Einsatzpläne für den Notfall ausgearbeitet und von den zuständigen Behörden kontrolliert werden.

Der Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten soll in einer neuen Artenschutzverordnung verboten werden. Welche Arten gefährdet sind, darauf wollten sich die Umweltminister aber noch nicht festlegen. Das soll eine wissenschaftliche Untersuchung erst noch ergeben.

Die alte Verordnung war in die Kritik gekommen, weil sie vom Aussterben der Flora und Fauna ziemlich weit überholt ist. Doch einige Länder wollen offensichtlich die Gelegenheit nutzen, sogar den Katalog der bisher geschützten Tiere und Pflanzen in Frage zu stellen. Die Einigkeit reichte gerade, um das Handelsverbot für alle Tiere und Pflanzen zu beschließen, die im Washingtoner Artenschutzabkommen als besonders gefährdet aufgeführt sind. Eine ganze Reihe von Eulen und Greifvögeln bleibt dabei unberücksichtigt. Merkel war aber stolz darauf, erreicht zu haben, daß die fehlende Artenliste bis zum Inkrafttreten der Verordnung, etwa in einem Jahr, vollständig vorliegen soll.