Gratisvergabe von Heroin geplant

■ Niederländer wollen die Vor- und Nachteile untersuchen

Den Haag (taz) – Die Gratisvergabe von Heroin an schwer Süchtige wird in den Niederlanden wahrscheinlich noch in diesem Jahr experimentell ausprobiert. Der Gesundheitsrat, der als Expertengremium die Regierung unterstützt, hat dem Plan von Gesundheitsministerin Els Borst zugestimmt. Die endgültige Entscheidung will die Gesundheitsministerin frühestens im September bekanntgeben.

Bisher fehlt es dem Gesundheitsrat an einem wissenschaftlichen Urteil über die Vor- und Nachteile der Heroinabgabe. Für eine Teilnahme an dem Versuch sollen daher nur Süchtige in Frage kommen, die ernsthaft erkrankt und nicht länger für eine Therapie geeignet sind. Im Gesundheitsamt der Stadt Rotterdam geht man von einigen Dutzend Süchtigen aus. In dem Ergebnisbericht des Rates heißt es, daß weltweit fast keine Erfahrungen vorlägen. Das rein medizinische Experiment unter ärztlicher Aufsicht soll den Wissensstand verbessern helfen.

In der Schweiz untersucht man seit 1993 die Unterschiede bei der Vergabe von Heroin und Methadon. Das Experiment verläuft „doppelblind“: Allein der begleitende Wissenschaftler weiß, welche Substanz an wen ausgeteilt wird. Mittlerweile schwindet jedoch die Mitarbeit der Kontrollgruppe. Sie konnte längst unterscheiden: Heroin liefert einen kurzen, starken Flash, Methadon dämpft vielmehr. Fred Sturmans vom Rotterdamer Gesundheitsamt: „Mit Heroin kann ein Süchtiger auch besser andere Dinge am Tag erledigen.“ Medizinisch gesehen würden beide Stoffe gleich süchtig machen. Dann aber sei es widersinnig, Heroin weiter zu verbieten, so Sturmans.

Mart Meeuwsen von der Stiftung Odyssee, einer örtlichen Methadonvergabestelle, möchte sich jedoch nicht an dem Experiment beteiligen. Der Grund: Psychisch verwirrte Mehrfachnutzer, die verschiedene Drogen und Alkohol durcheinander einnehmen, bleiben unbeteiligt. Aber gerade mit ihnen sei ein Kontakt leichter zu erzielen, würden sie gratis Heroin erhalten. Harald Neckelmann