Syrien und Israel klammern Strittiges aus

Heute beginnen in Washington die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Erzfeinden / Hauptthema sind zunächst die Sicherheitsregelungen für den Golan  ■ Aus Damaskus Kristoph Kandet

Normalerweise sind sie für die Kriegsvorbereitungen ihrer Länder gegeneinander zuständig. Heute hingegen treffen sich der israelische Generalstabschef Amnon Schahak und der syrische Armeechef Hikmet Schihabi in Washington, um über den Frieden zwischen ihren Staaten und der gesamten Region zu verhandeln. Die heutige Begegnung ist das Ergebnis der Vermittlung durch den US- amerikanischen Außenminister Warren Christopher, der die Region Anfang Juni besuchte, um die ins Stocken geratenen Verhandlungen zwischen Syrien und Israel voranzutreiben. Nach langen zähen Gesprächen mit dem syrischen Präsidenten Hafiz Al-Assad und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin konnte Christopher ein grundsätzliches Einvernehmen zwischen beiden Seiten erreichen. Ein allgemeiner und mehrdeutiger Begriff, der aber genügte, die Generalstabschefs beider Länder wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Das letzte Treffen der Generäle war Ende vergangenen Jahres an den unterschiedlichen Auffassungen über die meisten Verhandlungsthemen gescheitert.

Während der zweitägigen Gespräche müssen Schahak und Schihabi sich bemühen, die theoretischen Prinzipien in konkrete Einzelheiten zu verwandeln. Zwei Wochen später sollen sich militärische Komitees beider Länder treffen, um sich über die praktische und zeitliche Umsetzung dieser Einzelpunkte zu einigen. Gegenstand der heutigen Gespräche werden die Sicherheitsregelungen für die Golanhöhen sein. Das Rezept der USA, den Dialog in Gang zu halten, besteht darin, zunächst über einfache Punkte zu verhandeln und so den Weg für spätere kompliziertere Fragen offen zu halten.

Die größte Differenz in den seit vier Jahren andauernden Verhandlungen zwischen Syrien und Israel ist der israelische Abzug von den Golanhöhen. Israel will sich bisher an die „internationale Grenze“ zurückziehen. Gemeint ist jene Grenze, die bis zur Gründung des Staates Israel 1948 zwischen dem britischen Mandatsgebiet in Palästina und Syrien bestand. Syrien fordert dagegen den Abzug bis zur „Grenze vom 4. Juni“, die vor Beginn des Krieges am 5. Juni 1967 die Grenze zum jüdischen Staat bildete. In dem etwa fünfundvierzig Quadratkilometer breiten umstrittenen Streifen befinden sich wichtige Wasservorräte, mit denen Israel ein Drittel seines Bedarfs deckt. Die USA versuchen Assad von einer neuen, sogenannten „Friedensgrenze“ zu überzeugen. Dadurch erhielte er einen Teil des umstrittenen Gebiets und Israel bekäme die Quellen.

Israel betont indessen, daß es nicht bereit sei, sich in einem Zug von den Golanhöhen völlig zurückzuziehen. „Ein Teilabzug für völlig normale diplomatische, wirtschaftliche und politische Beziehungen“, heißt es in Israel. Ein Abzug von den „meisten“ Golanhöhen sei nur möglich, wenn Syrien seinen guten Willen beweise. „Ein völliger Abzug gegen eine Teilnormalisierung der Beziehungen“, lautete Assads Gegenforderung. Normale Beziehungen seien nur möglich, wenn Israel die ganzen Golanhöhen verlasse und seine Probleme mit den anderen arabischen Ländern löse. Assad wolle die Frage nach der Normalisierung der Beziehungen mit der Lösung des Jerusalem-Problems verbinden, meint der syrische Politologe Khaled: „Dadurch gewinnt er einen guten Ruf in der arabischen Welt, aber zugleich auch mehr Zeit. Eine Lösung der Jerusalem- Frage würde noch Jahre dauern.“

Bezüglich der Sicherheitsregelungen gibt es weniger Differenzen. Beide Länder verzichteten auf einige ihrer Forderungen und milderten andere ab. So zog Israel seine Forderung nach einer 60 Kilometer breiten entmilitarisierten Zone auf der syrischen Seite zurück. Jetzt sprechen beide Staaten von „ausgewogenen und gleichmäßigen“ Sicherheitsmaßnahmen auf beiden Seiten. Aus Diplomatenkreisen heißt es, beide Länder hätten vereinbart, die gesamten Golanhöhen nach dem israelischen Abzug zu entmilitarisieren. Grundsätzlich einig waren beide Seiten sich auch darin, zur Zeit eine Diskussion über besonders explosive Themen zu vermeiden. Israel hatte noch bis vor kurzem gefordert, daß Syrien seine 400.000köpfige Armee radikal reduziert. Syrien konterte mit der Forderung nach dem israelischen Verzicht auf Atomwaffen.

Laut israelischen Angaben wird Schahak einen Plan für eine starke Verteidigunglinie auf israelischer Seite auf den Verhandlungstisch legen. Syrien hat im Prinzip nichts dagegen. Aber die Regierung in Damaskus will die Truppenstärke der dort stationierten Israelis erfahren, um eine gleich große syrische Truppe zu stationieren.

„Wollen Sie mit den Republikanern in Washington und dem Likud in Israel verhandeln?“ soll Christopher den syrischen Präsidenten gefragt haben, als er ihn Anfang Juni traf. Damit gab er Assad zu verstehen, er solle eine schnelle und positive Initiative ergreifen, um Bill Clinton und Jitzhak Rabin bei den kommenden Wahlen im nächsten Jahr zu helfen. Ein Fortschritt bei den syrisch- israelischen Verhandlungen würde sich sicher gut für den Wahlkampf verwenden lassen. Assad, der als meisterlicher Taktiker bekannt ist, weiß genau, wie teuer seine Stimme ist, und versucht einen guten Preis zu erzielen. Außerdem stellt sich ihm das Problem der Wiederwahl nicht. Er wurde auf „Ewigkeit“ gewählt.

Auf den Straßen von Damaskus unterhält man sich unterdessen lieber über die quälende Hitze und den zu erwartenden Touristenansturm. „Die Leute sind seit langem aus dem politischen Leben ausgeschlossen“, erklärt der Schriftsteller Hamid. „Assad will die Verhandlungen mit Israel geheimhalten und sie nicht in der Öffentlichkeit diskutieren. Der Präsident entscheidet alles. Und herauszukriegen, was in seinem Kopf vorgeht, ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“