Gentomate ist unerwünscht

Umweltverbände erheben Einspruch gegen Euro-Patent für genmanipulierte Tomaten / In Großbritannien schon im Ketchup zugelassen  ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Mit einem Tomaten-Testessen startet heute ein Bündnis von Umwelt- und Verbrauchergruppen seinen Protest gegen die Anti-Matsch-Tomate Flavr Savr. Stellvertretend für rund 40 Organisationen vor allem aus der Schweiz und Deutschland werden Christoph Then von „Kein Patent auf Leben“ und die europäische Koordinatorin der Kampagne, die Schweizerin Florianne Koechlin, einen Einspruch gegen das erste Patent auf eine genmanipulierte Tomate beim Europäischen Patentamt (EPA) einreichen.

Das kalifornische Gentech- Unternehmen Calgene hatte bereits im Frühjahr 1983 ein entsprechendes Patent beim Münchener EPA beantragt. Im November 1994 war es dann soweit. Unter der Nummer EP 240208 erteilte das EPA das Patent. Calgene hat es nicht allein auf genmanipulierte Tomaten abgesehen. Unter Patentschutz sollen alle Pflanzen einschließlich der Nachkommen gestellt werden, die mit einem speziellen Genkonstrukt so manipuliert worden sind, daß das Reifungsenzym Polygalakturonase (PG) ausgeschaltet wird. Als Beispiele genannt sind unter anderem Weizen, Mais, Roggen, Orangen, Äpfel, Avocados, Zuckerrüben, aber auch Bäume wie Pappeln und Pinien sowie Zierblumen.

Ohne experimentell überprüft zu haben, ob diese Genmanipulation überhaupt in den sehr unterschiedlichen Pflanzen funktioniert, hat Calgene prophylaktisch einen umfassenden Patentschutz beantragt.

Bei ihrem Einspruch beziehen die Gentech-Kritiker sich vor allem auf das Europäische Patentübereinkommen, das grundsätzlich einen Patentschutz für Pflanzensorten ausschließt. Vor wenigen Wochen erst konnten die Gentech-KritikerInnen damit einen Erfolg verbuchen, so der Genkritiker Then. Im Streitfall Greenpeace gegen das belgische Unternehmen Plant Genetic Systems (PGS) gab das EPA den Umweltschützern recht und lehnte das Pflanzenpatent ab. PGS hatte ein Patent auf Raps beantragt, der gegen das Hoechst-Herbizid Basta resistent gemacht worden war. Als patentfähig sah das Amt lediglich die einzelnen genmanipulierten Pflanzenzellen an, aber nicht die daraus hervorgegangenen Pflanzen.

Auch das Europäische Parlament hatte sich Anfang März 1995 bei seiner Ablehnung der EU-Patentrichtlinie grundsätzlich gegen Pflanzenpatente ausgesprochen. Ob die Münchener Patentschützer sich auf Dauer davon beeindrucken lassen und bei der neuen Rechtsprechung bleiben werden, wird sich erst in der Zukunft erweisen.

Den Gentech-KritikerInnen geht es mit dem Einspruch aber nicht nur um die ihrer Ansicht nach „nicht hinnehmbare“ Ausweitung des Patentrechtes auf Lebewesen. Die genmanipulierte Tomate Flav Savr, die es seit gut einem Jahr in einigen ausgesuchten Geschäften in den USA zu kaufen gibt, ist zum Symbol für genmanipulierte Lebensmittel geworden. An keinem anderen Produkt, so die Schweizerin Florianne Koechlin, „lassen sich die Verknüpfungen von umweltgefährdenden Freisetzungen, Vermarktungsinteressen und eigenem Bauch“ so gut aufzeigen.

In europäischen Läden gibt es die Gentech-Frucht Flav Savr, die in den USA unter dem Produktnamen MacGregor's vermarktet wird, zwar noch nicht, aber daraus hergestellter Ketchup ist zumindest in Großbritannien bereits zugelassen. Die ICI-Tochter Zeneca, bis vor kurzem noch der große Konkurennt von Calgene, hat die Lizenz erhalten für die Vermarktung von verarbeiteten Anti- Matsch-Tomaten. Dem US-Nahrungsmittelkonzern Campbell, der einst die Forschung für die Gentech-Tomate finanziert hatte, ist das Produkt hingegen zu heiß geworden. Er überließ Calgene und Zeneca das Feld. Wolfgang Löhr

Foto: Erik-Jan Ouwerkerk