„Ich habe mein eigenes Profil“

■ CDU-Frau Petra Roth mischt rot-grünen Themen konservative Grundstoffe bei

„Petra! Petra! Petra!“ skandierte am Sonntag abend eine regelrecht außer Rand und Band geratene CDU-Fangemeinde, als sich die Wahlfeier im Römer unversehens in eine heiße christlich- demokratische Freudenfete verwandelte. Während ältere Herren in begeisterter Aufregung heftig transpirierten, wirkte die siegreiche Kandidatin so taufrisch und kühl wie ein Reklameblatt für die Karrierefrau in den mittleren Lebensjahren.

Pfirsichfarbenes Kostüm, adrettes Halstuch, das Blondhaar der Anspannung gerade angemessen zerzaust, stöckelte Petra Roth mit festem Schritt auf meterhohen Pumps zur Pressekonferenz. Und fuhr, auch zur Überraschung der CDU-Männer, das, was sie im Wahlkampf eher vermieden hatte: die Frauenschiene. Sie sei zwar, sagte sie, „nicht als Frau“ gewählt worden, gab dann aber der trivialen Wahrheit die Ehre: „Ich bin eine Frau.“ Ob der „Frauen-Bonus“ ihr ins Amt geholfen habe, wisse sie „selber nicht genau“, vermutete es aber doch ein bißchen. Sicher sei sie, daß ihr Wahlsieg „ein großer Erfolg für alle CDU- Frauen ist“.

Petra Roth, 51 Jahre alt, gelernte Arzthelferin, zwei Söhne, Landtagsabgeordnete seit 1987, ist die dritte CDU-Bürgermeisterin in Hessen und, darauf ist sie besonders stolz, die „erste Frau im Römer“ seit der Magistratsverfassung von 1866. Das hatte sie vormals im Landtag nicht daran gehindert, besonders bissig gegen feministische Kolleginnen zu polemisieren. Daß ihr aus dem Stand 52 Prozent der Frankfurter Stimmen zufielen, mag allerdings einigen ihrer Parteimänner zu denken geben, zu denen sie sich in der Vergangenheit in Widerspruch gesetzt hatte.

Dazu gehörte ihr Engagement für den Erhalt der Frankfurter Druckräume für Fixer ebenso wie ihre Ankündigung, sich die Mehrheiten im Stadtparlament bei allen Parteien suchen zu wollen: „Ich bin eine CDU-Frau, aber ich habe mein eigenes Profil.“ Daß sie damit geschickt an das Image von Ex- Oberbürgermeister Walter Wallmann anknüpfte, kam ihr sicherlich zugute. Denn die FrankfurterInnen mögen es, wenn ihr Stadtoberhaupt zwar liberal, aber auch leutselig, nicht allzu intellektuell, aber auch kein Scharfmacher ist und sich andererseits praktisch- pragmatisch bürgernah gibt. Frankfurter halten sich viel auf ihre Weltoffenheit zugute, aber am liebsten eben nur dann, wenn die Welt sich in die gute Stubb holen läßt und dort für Gewinn und Genuß, nicht aber für Irritation sorgt.

Petra Roth hat den am Main eigentlich recht wirksamen Vorteil ihres Gegners von Schoeler, ein waschechter „Frankfurter Bub“ zu sein, spielend unterlaufen. Denn sie ist seit 1964 überzeugte Wahl- Frankfurterin. Und das ist, hatte einmal ein bekanntes Satire-Magazin festgestellt, allemal verdienstvoller, nämlich „hierher kommen und dann bleiben wollen“.

Ebenfalls als Erfolg verbuchen kann sie, daß sie ihren Wahlkampf zweigleisig führte; einerseits nahm sie rot-grüne Themen auf, andererseits mischte sie ihnen, fast stereotyp und wie im Reagenzglas, die konservativen Grundstoffe Sicherheit und Ordnung bei. Daß sie sich als Kommunalpolitikerin zugunsten der Städte auch gegen die Finanzpolitik der Bonner CDU- Freunde wandte, hielt Bundeskanzler Kohl am Sonntag nicht ab, ihr als „einer der ersten“ zu gratulieren. „Glaubwürdigkeit und Bodenhaftung“ waren schon früh Attribute für die Beschreibung ihrer Persönlichkeit.

Der Durchmarsch als Kreisvorsitzende und Oberbürgermeister- Kandidatin war ihr 1992 erst gelungen, nachdem etliche Männer abgewunken hatten. Seither galt sie als „zweite Wahl“. In dieser Ausgangsposition setzte sie sich von Anfang an energisch und öffentlichkeitswirksam durch, bestand auf einer Verjüngung der überalterten Parteigremien und förderte Frauen. Im Fettnapf landete sie, als sie eine Zusammenarbeit mit den „Republikanern“ nicht ganz ausschloß. Das Dementi folgte im Sommer 1992 mit der gebotenen Zerknirschung. Am Wahlabend sagte sie, aus Schaden klug geworden, daß sie nun im Römer „mit allen demokratischen Parteien“ verhandeln wolle. Heide Platen, Frankfurt/Main