Geiseldrama am Schlachtensee

■ Bankräuber nahmen rund zwanzig Geiseln / Gerüchte: Lösegeld, Fluchtauto und -hubschrauber gefordert

Gestern um 10.25 Uhr stürmten vier schwerbewaffnete Männer die Filiale der Commerzbank in der Breisgauer Straße im Zehlendorfer Villenviertel Schlachtensee und brachten mehrere Kunden und Angestellte in ihre Gewalt. Als kurz darauf die Sondereinsatzkommandos der Polizei eintrafen, riegelten sie das Gelände um die Bankfiliale in der Nähe des S-Bahnhofes Schlachtensee weiträumig ab. Damit begann der Nervenkrieg zwischen Gangstern und Polizei, der gestern bei Redaktionsschluß noch ohne Aussicht auf ein baldiges Ende andauerte.

Laut Polizeibericht hatten die Bewohner des Gebäudes, in dem die Bank untergebracht ist, ihre Wohnungen schnellstens verlassen, als sie von dem Überfall erfuhren. Mehrere in der Umgebung der Bank gelegene Mehrfamilienhäuser wurden evakuiert. Sehr schnell nach dem Überfall, so die Polizei, habe man reagiert: Vor dem Bankeingang wurde ein grauer Müllwagen aufgefahren, daneben ein Altglastransporter abgestellt, um bei eventuellen Schüsse aus der Bank heraus Deckung zu bieten. Ein Schützenpanzer der Polizei sperrte die Kreuzung Breisgauer Straße/ Ecke Schopenhauer Straße. Scharfschützen eines Sondereinsatzkommandos bezogen in der Umgebung der Bank Stellung.

Bis zum späten Nachmittag waren von der Polizei keine konkreten Angaben über die Zahl der Täter, ihre Bewaffnung oder über eventuelle Forderungen zu erlangen. Dann jedoch glückte es der Polizei, mit den Gangstern Kontakt aufzunehmen. Trotz Nachrichtensperre sickerte an die wartenden Journalisten durch, daß es den Geiseln den Umständen entsprechend gut gehe.

Während der eigens herbeigerufene Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) trotz hohen Fiebers auf eine Stippvisite vorbeischaute und gleich darauf wieder verschwand, drängten sich rund zweihundert Schaulustige und zahlreiche Medienvertreter an den Absperrungen, um wenigstens einen Blick auf den Tatort zu werfen. Ein kleiner Junge erbot sich, den Wartenden kühle Getränke zu bringen.

In Ermangelung wirklicher Informationen brodelte die Gerüchteküche. Mal war von sechs Geiselgangstern die Rede, die zwanzig Millionen Mark Lösegeld und einen Fluchthubschrauber forderten, dann waren es nur drei Täter, die für ihre zwanzig Geiseln siebzehn Millionen und ein Fluchtauto forderten. „Das entzieht sich meiner Kenntnis“, lautete der Standardspruch des polizeilichen Pressesprechers Detlef Kayser. „Jedes Wort, das ich sage, könnte aus polizeitaktischer Sicht fatal sein.“

Informationen aus erster Hand indes lieferte ein etwa zehnjähriger Anwohner, der mit seinem Fahrrad vor der Bankfiliale unterwegs war, als der Überfall stattfand. Der Junge berichtete, daß es sich um vier mit Perücken getarnte Täter handele, von denen drei mit Maschinenpistolen bewaffnet seien. Die Täter seien mit einem weißen Volkswagen vorgefahren und bei dem Überfall unter anderem von Kunden einer nahegelegenen Sparkasse beobachtet worden. Diese hätten daraufhin spontan die Reifen des Fluchtfahrzeuges der Banditen zerstochen.

„Wir tun alles, um die Angelegenheit möglichst unblutig zu beenden“, versicherte die Polizei. Und auch Eberhard Diepgen erklärte, es gehe ihm „vor allem um das Wohl der Geiseln“. Peter Lerch