Erste Sitzung des Ruanda-Tribunals

■ Ruandas Justizminister vereidigt Völkermordrichter

Den Haag (taz) – Vor leeren Anklagebänken sind gestern im niederländischen Den Haag die Richter eines UNO-Kriegsverbrechertribunals für Ruanda vereidigt worden. Die elf Richter legten ihren Amsteid vor Vertretern der niederländischen Regierung und dem ruandischen Justizminister Alphonse N'Kubito ab. Fünf von ihnen, darunter Chefankläger Richard Goldstone, sind bereits am Jugoslawien-Tribunal beteiligt, die anderen wurden im Mai von den Vereinten Nationen ernannt. Die erste konstituierende Sitzung soll mindestens eine Woche dauern – es werden die Verfahrensregeln formuliert, in Anlehnung an die des Jugoslawien-Tribunals. Am eigentlichen Sitz des Tribunals in Arusha (Tansania) sind die Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen.

Das Ruanda-Tribunal will sich nur mit den führenden Verantwortlichen für den Völkermord befassen, dem vor einem Jahr über eine halbe Million Menschen zum Opfer fielen. Goldstone sagte, ihm liege eine Liste mit rund 400 Namen vor. Festnahmen gab es bislang noch nicht. Ein Großteil der Verdächtigen lebt außerhalb Ruandas – zumeist in Nachbarstaaten, aber auch in Belgien und Frankreich. Goldstone rechnet damit, noch vor Jahresende die ersten Anklageschriften formulieren zu können. Auf die Kriegsverbrechen weltweit angesprochen, antwortete Goldstone, daß ein ständiger internationaler Gerichtshof notwendig sei, der schwere Fälle von Menschenrechtsverletzungen behandeln solle.

Die Einsetzung des Ruanda- Tribunals war am 8. November 1994 vom UN-Sicherheitsrat beschlossen worden – mit einer Gegenstimme: der Ruandas. Die neuen Machthaber in Ruanda wollten nämlich die Völkermordprozesse in der ruandischen Hauptstadt Kigali stattfinden lassen. Die UNO lehnte dies aus Gründen der Neutralität ab: Es sei ein Versuch der ruandischen Regierung, das Tribunal innenpolitisch zur Festigung ihrer Macht zu nutzen, hieß es. Ferner befürwortet Ruanda die Verhängung der Todesstrafe gegen die Hauptschuldigen, während die UNO nur Gefängnisstrafen vorsieht.

Ein belgischer Untersuchungsrichter erließ im Mai gegen drei hochstehende Ruander internationale Haftbefehle, unter ihnen zwei Militärs. Sie werden der direkten Beteiligung am Völkermord verdächtigt und sollen voraussichtlich vor dem Völkermordtribunal erscheinen; einer von ihnen soll für den Mord an zehn belgischen Blauhelmen am 7. April 1994 verantwortlich sein. Harald Neckelmann