Tödliche Plastiktüte

■ Mutmaßlicher Chef der Disco-Mafia nimmt sich im Gefängnis das Leben

Augsburg (taz) – In der Nacht von Sonntag auf Montag machte ein Gefängniswärter in der Justizvollzugsanstalt Straubing eine grausige Entdeckung. Der Untersuchungshäftling Fabio Taramelli lag tot in seiner Einzelzelle – eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt. Taramelli, ein 41jähriger Iraker mit wirklichem Namen Sarhan, sollte in Kürze wegen dreifachen Mordes angeklagt werden.

Nach Erkenntnissen der Augsburger Staatsanwaltschaft und der Dienststelle für überregionale Kriminalitätsbekämpfung war er einer der führenden Köpfe der „schwäbischen Disco-Mafia“. Und die hatte in den vergangenen Jahren mehrfach zugeschlagen. Ende Januar fanden die Fahnder – einbetoniert unter dem Pumpenhäuschen an einem Baggersee in Radersdorf bei Augsburg – die mumifizierte Leiche eines 30jährigen Hähnchenbraters. Dann, vor einer Woche, erneut ein grausiger Fund: In einem Waldstück im Landkreis Aichach-Friedberg entdeckten die Beamten die Leiche des seit zwei Jahren verschwundenen „Disco- Königs“ Josef H. aus Wertingen in Bayrisch-Schwaben. Beide Male waren es Hinweise von inhaftierten mutmaßlichen Bandenmitgliedern, die die Polizei fündig werden ließen.

Im Dezember 1994 waren mehrere Mitglieder der Bande verhaftet worden. Der „Mann fürs Grobe“ war nach Überzeugung von Staatsanwaltschaft und Sonderfahndern der 41jährige Iraker Taramelli alias Sarhan. Er soll nicht nur die beiden genannten Morde begangen haben, sondern auch verantwortlich für die Ermordung einer 16jährigen sein, die im August 1993 vor einer Dasinger Disco mit einem Jagdgewehr getötet wurde. Als besonders verwerflich wird eine weitere Tat der Disco-Mafia bezeichnet. Gleich dreimal versuchten Bandenmitglieder, in der Nähe von Zwickau einen Disco- und Hotelkomplex, den sie erworben hatten, „abzufackeln“, um die Versicherungssumme von vier Millionen Mark zu kassieren. Um von sich abzulenken, täuschten sie einen ausländerfeindlichen Hintergrund vor.

„Wir sind uns im klaren darüber, daß jetzt alles, was nur irgendwie geht, dem Taramelli in die Schuhe geschoben wird“, erklärte der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, Jörg Hillinger. Für die Todesfallermittlungen ist die Staatsanwaltschaft Regensburg zuständig, nachdem das Straubinger Gefängnis in deren Zuständigkeitsbereich liegt. Schon hält sich hartnäckig das Gerücht, der Inhaftierte sei Opfer eines Anschlags der Disco-Mafia geworden.

Nach Auskunft des Regensburger Oberstaatsanwaltes Peter Schuchardt gibt es jedoch „keine Anzeichen auf irgendeine Fremdeinwirkung“. Die Frage, wie ein suizidgefährdeter Einzelhäftling in den Besitz einer Plastiktüte kommen konnte und wie er sich nur mit Hilfe dieser Tüte töten konnte, sei derzeit nicht zu beantworten. Näheres soll eine Obduktion klären. Klaus Wittmann