■ Schirm & Chiffre
: Idefix, hierher!

Assoziationen zum Thema: „Die Kunst des Werbens“ an der Akademie der Künste: Honi soit... Zeitgleich zum Großereignis am Platz der Republik wartet die diesjährige Sommerakademie mit Workshops und Seminaren zur „Kunst des Werbens“ auf. Groß-Couturier Jean- Christo verhüllt mit Polypropylen, die Werber packen aus und machen Promotion. Alles Kunst oder was? Das zu beweisen, haben die Sommerakademiker allerlei Prominenz in den Hanseatenweg geladen. Wim Wenders zum Beispiel. Wim und Werbung? Doch, doch! Wim, wir erinnern uns: Wie ein nasser Keks hast du in diesem schönen, alten Automobil gesessen, und – whoops! – schon hatte Annie Leibovitz dich für American Express geknipst. Ein Gesicht hast du gemacht – als wäre dir gerade dein Seminarthema in den Sinn gekommen: „Is Advertising Bad for Your Art?“

Ein Preis wird auch verliehen. Für den besten Werbespot. Und „dschadschen“, wie Marusha jüngst in „Spiegel-TV“ so hübsch strunzig formulierte, werden alte Werbehasen wie Dennis Hopper, Margarethe von Trotta und Walter Jens... Walter Jens? Auch du, Walter? Verpackungsjünger! Hüllen-Hansel! Idefix, hierher!

Eigentlich sind wir ja alle Werber. Sagen die Werber. Und Künstler sind wir sowieso. HB? Ich auch! Längst wirbt die Werbung ja für die Werbung: L'art pour l'art. Selbstreferentiell abgepuffert wird alles voll kompatibel. Solange es gut rüberkommt und swatcht. Wackerbarth, Horst, der für Kern, Otto, nackte Mädels in Jünger-Christi-Pose beim Abendessen fotografiert hat, weiß in seinem Seminar angeblich was über die „Spiritualisierung von Medien und Marketing“ zu sagen. Als hätte es in den seligen Siebzigern nicht schon Jesus-Jeans gegeben. Luja! Die Hülle hält die Bedeutungsjunkies auf Trab. Erklärte uns nicht Wilde, Oscar, seinerzeit, das Geheimnis der Welt liege im Sichtbaren, nicht im Unsichtbaren? Seitdem sind die Werber heiß bemüht, dem Sichtbaren – heute: Design – Geheimnis beizubringen. Gut aussehen genügt nicht, man will auch was zu sagen haben.

Wir ahnen es längst: Unter all dem Schöner-Leben- Scheiß, den uns der Shopping Guide durchs Markenwunderland MAX (Mitveranstalter der Sommerakademie) präsentiert, liegt politisch korrekter Sinn verborgen. „Zivildienst – eine starke Sache“. So labelt MAX-Cheftexter Uwe Killing seinen Workshop. Starker Spruch, abmelden, Schütze Killing!

Die Werbung, sprach einst der Dichter Blaise Cendrars, sei der schönste Ausdruck unserer Epoche, eine Kunst. Ja, so muß es gewesen sein. Heute klingt das prosaischer: Werbung, die einen nicht zum Kotzen bringt, ist gute Werbung. Sagte mal ein Werber, ein amerikanischer. Das glauben wir sofort, wenn wir uns daran erinnern, was du für ein Gesicht gemacht hast, Wim. Martin Muser