Goldmedaillen für Selbstherrlichkeit

■ Statt aufzuklären verliert sich der Olympia-Ausschuß in Kleinkram

Die Geduld des Jürgen Lüdtke kennt Grenzen. Immer dann, wenn der FDP-Abgeordnete Axel Hahn seine bohrenden Fragen auf die Zeugen abschießt, rutscht der Ausschußvorsitzende unruhig hin und her. Mancher fühle sich hier offenbar in einem US-Krimi, hatte der SPD-Politiker schon zu Beginn des Olympia-Untersuchungsausschusses moniert. Über hundert Fragen waren vorab schriftlich fixiert worden. Die gescheiterte Bewerbung schien geradezu prädestiniert, die Berliner Mischung aus weltstädtischem Anspruch und kleinstädtischem Milieu aufzuzeigen, jenem sumpfigen Boden, auf dem gegenseitige Gefälligkeiten augenzwinkernd getätigt werden.

Daß ein Mann wie Lüdtke seine Arbeit lustlos absolviert, ist nicht verwunderlich. Schließlich hatte seine Partei zusammen mit der CDU die Olympischen Spiele im Jahr 2000 an die Spree holen wollen. „Persönlich dürfte man mich nicht fragen, was ich von einzelnen Fragen halte – sonst würde ich nämlich den Vorsitz niederlegen“, beschwerte sich Lüdtke.

Elfmal hat der Ausschuß seit Februar getagt, dreimal soll er noch zusammenkommen. Knapp über ein Dutzend Zeugen wurden bislang befragt. Während SPD und CDU eher gelangweilt ein Pflichtprogramm abziehen, versuchen Judith Demba (Bündnisgrüne), Hahn und der erst 24jährige Steffen Zillich von der PDS ihre Oppositionsrolle wahrzunehmen. Erst der gemeinsame Antrag der drei Parteien hatte den Ausschuß möglich gemacht.

Doch die Abgeordneten der Opposition verrennen sich nicht selten in Details, leuchten Ecken aus, in denen offenbar nichts zu finden ist. Lehrreich sind die Sitzungen jedoch allemal: Ozeane trennen eine moralisch denkende Frau wie die Anti-Olympia-Aktivistin Judith Demba von der Welt eines abgefeimt wirkenden Axel Nawrocki. Ob die Olympia-GmbH 1,4 Millionen Mark Reisekosten für Gäste oder 120.000 Mark für Geschenke an Mitglieder des Internationalen Komitees (IOC) ausgab – der einstige Geschäftsfüherer der Olympia-GmbH kann an solchen Summen nichts aussetzen. Im Gegenteil: Es sei noch viel zuwenig gewesen. Manches, was die Oppositionsparteien als Skandale outen, gehört seit langem zu den tagtäglichen Schlüpfrigkeiten des politischen Geschäfts. Etwa, daß Journalisten regelmäßig zu Hintergrundgesprächen geladen wurden und gegen Entgelt im Olympia- Journal schrieben.

Die Arbeit des Ausschusses wird von den Schlagworten geleitet, die die Medien prägten. Da ist die „Reißwolfaffäre“: Wer die Vernichtung von 14 Aktenordnern anordnete, ist bislang unklar. Auch von den „Intimdossiers“ über IOC-Mitglieder will die Führungsetage der Olympia-GmbH nichts wissen – das sind angeblich nur Planspiele gewesen, und sie hätten ohnehin keine persönlichen Vorlieben aufgelistet.

Er würde alles noch einmal genauso machen, dann aber ganz durch Private, hat Nawrocki demonstrativ erklärt. Deutlich förderte der Ausschuß zutage, daß sich die vom Land Berlin eingerichtete Olympia-GmbH – in deren Aufsichtsrat Eberhard Diepgen (CDU) den Vorsitz führte – durch die Restriktionen der öffentlichen Mittelvergabe behindert fühlte. Geschenke, Präsente und Dienstreisen „entsprechen dem Gesellschaftsrecht, stehen aber verschiedentlich im Widerspruch zum Zuwendungsrecht“, mußte auch Lüdtke feststellen. – In der Weltsicht eines Nawrocki, der nach der Pleite durch die CDU mit einem lukrativen Job als Manager der S-Bahn-GmbH versorgt wurde, sind die Mitglieder des Ausschusses offenbar wie das lästige Gebrüll beleidigter Kleinkinder. „Wenn ich Erfolg gehabt hätte, müßte ich heute nicht auf alle diese Fragen antworten“, meint er nach seiner Zeugenbefragung gegenüber der Presse.

Im Klartext: Wer Olympia haben wollte, mußte die schmutzigen Tricks im Kampf um die IOC- Stimmen mitmachen. So blieb eine Venezolanerin statt drei Tage lang, wie vom Weltverband vorgeschrieben, gleich eine ganze Woche, traf sich eine halbe Stunde mit Nawrocki, besuchte aber 12 Restaurants der Spitzenklasse.

Wegen der auslaufenden Wahlperiode verbleibt nicht mehr viel Zeit. Mit populistischem Gespür versuchte unlängst Nawrocki weiteren Nachforschungen vorzubeugen. So rechnete er vor, daß die Kopien der Rechnungsbelege der Olympia-GmbH den Ausschuß rund 130.000 Mark kosten würden. Zu zahlen aus der Landeskasse, wie Nawrocki anmerkte. Severin Weiland