Mit Butterbrot und Selters zur Geiselnahme

■ Gangster hatten Geiselnahme vorab eingeplant / Nach Tunnelausstieg in polizeilicher Sperrzone in Luft aufgelöst

Er könne verstehen, daß der erfolgreiche Coup „eine gewisse Anerkennung findet“ und der eine oder andere von einer klammheimlichen Freude erfüllt ist, mußte selbst Polizeipräsident Saberschinsky gestern einräumen. Dennoch blieben die vier Täter ebenso professionelle wie gefährliche Verbrecher. Nun sollen 60 Ermittler die Schlappe der Polizei schnell ausbügeln.

Wie „gründlich und diszipliniert“ (Saberschinsky) die Männer vorgegangen waren, zeigte sich erst gestern. Die Täter waren nicht nur mit drei Schrotflinten und zwei Pistolen, sondern auch mit Butterbroten, Selters und vorformuliertem Forderungskatalog in der Bank erschienen.

Als Fluchtweg benutzten die Täter selbstgebaute Kanäle, die sie fachmännisch gegen den Einsturz sicherten. Von einer Garage in der Matterhornstraße buddelten sie zunächst einen 50 Meter langen Stichkanal zu einem Regenabfluß. Von diesem Regenwasserkanal in Richtung der Filiale gruben sie dann einen zweiten Stichkanal von 20 Metern, der unter der Kellersohle der Bank endete. Die sechs Zentimeter starke Betonschicht hätten die Täter dann in der Nacht von oben aufgebrochen. Die Polizei hörte das Klopfen zwar, wertete dies jedoch als Geräusche, die beim Aufbruch von Tresoren entstünden, gab Saberschinsky zu.

Unklar war gestern, wo die riesigen Mengen an ausgehobener Erde geblieben sind und warum die Anwohner des Grundstücks nicht bemerkt haben, daß in ihren Garagen kräftig gebuddelt wurde. Schließlich lösten sich die Geiselnehmer am Ende ihres Fluchtwegs in einer Garage mitten im polizeilichen Sperrgebiet um die Bank praktisch in Luft auf. Der perfekt vorgeplante Fluchtweg legt den Verdacht nahe, daß der Überfall nur vorgetäuscht war. Nach Auffasssung von Polizeipräsident Saberschinsky waren die Geiselnahme und die damit verbundene Lösegelderpressung von vornherein das eigentliche Ziel der Gauner. Die geforderte Bereitstellung von Fluchtfahrzeugen, unter anderem einem Helikopter in der Umgebung von Dreilinden, und die Täterforderung, für die Abfahrt einen sich um das Gelände der Bank befindenden Gartenzaun zu entfernen, dienten lediglich dazu, der Polizei Zugriffsmöglichkeiten vorzugaukeln.

All das hielt die Täter jedoch nicht davon ab, nebenbei im Keller der Bank rund hundert Schließfächer zu knacken und zu plündern sowie den Tresor aufzubrechen. Wieviel damit zusätzlich zu den erpreßten fünf Millionen erbeutet wurde, ist unbekannt. Peter Lerch

Siehe auch Bericht Seite 4