■ Das Portrait
: Der Vulkanier

John Redwood, Majors Gegenkandidat Foto: Reuter

„John Redwood ist ein interessanter Politiker“, meinte der britische Ex-Minister David Mellor, „aber nicht halb so interessant, wie er annimmt.“ Und der ehemalige Premierminister Edward Heath fragte am Sonntag: „Redwood? Wer weiß irgend etwas über ihn?“ Heath beantwortete die Frage selbst: „Niemand. Wir benötigen aber jemanden, der das Vertrauen des Landes, Europas und der USA in unsere Partei und in unsere Regierung wiederherstellt. Das kann er nicht.“

John Redwood glaubt jedoch sehr wohl, daß er das kann. Der Minister für Wales wird am nächsten Dienstag gegen Premierminister John Major um die Tory-Parteiführung kämpfen. Redwood zählt mit Sozialminister Peter Lilley und Arbeitsminister Michael Portillo zu den „Bastarden“, wie Major einmal bei versehentlich offenen Mikrofonen die Euro-Gegner in seinem Kabinett nannte.

Redwood ist in Dover, fast in Sichtweite von „Europa“, geboren. Es ärgert ihn, daß man stets über ihn schreibt, er stamme aus der „unteren Mittelschicht“. Sein Vater brachte es vom Hilfsbuchhalter eines Speditionsunternehmens zum Prokuristen, seine Mutter leitete ein Geschäft. Seine Doktorarbeit über das Verhältnis von Wissenschaft und Religion schrieb er in der Londoner U-Bahn auf dem täglichen Weg zur Arbeit bei der Börsenfirma Robert Fleming.

Redwood ist vergangene Woche 44 Jahre alt geworden. Zu seinen Hobbys gehört es nach eigenen Angaben, „nicht den Guardian zu lesen“. Er gilt als Minister mit dem schärfsten Intellekt. Das läßt er seine Kabinettskollegen ein ums andere Mal spüren – sie haben ihn wegen seines kühlen und arroganten Benehmens „Der Vulkanier“ getauft. Andere nennen ihn den „Pol Pot der Privatisierung“, weil er als glühender Verehrer der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher – seit 1983 gehörte er ihrem Beraterteam an – als einer der ersten vehement für die Privatisierungspolitik eingetreten ist. Er ist für die Todesstrafe, gegen Abtreibung, und er würde Homosexualität unter 21 Jahren am liebsten wieder unter Strafe stellen.

Auch wenn sich nicht Redwood selbst, sondern einer der abwartenden Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz durchsetzen sollte, so könnte Redwood als „Königsmörder“ mit einem attraktiveren Ministerposten rechnen. Gewinnt hingegen Major, ist Redwoods Kabinettskarriere vorerst zu Ende. Ralf Sotscheck