Ozon bringt SPD ins Wanken

Rot-grüne Länder sind sauer: Große Koalitionen sorgen für unverbindlichen Antrag zum Sommersmog im Vermittlungsausschuß / Bundesgesetz wird Länderverordnungen blockieren  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Die SPD-Landesregierungen bahnen einen klassischen Rückzug an. Nach großem Tamtam gegen den Gesetzentwurf von Umweltministerin Angela Merkel (CDU) zu Ozonwerten und Sommersmog werden die Töne gegen die Bundesregierung nun versöhnlicher. Der Bundesrat hat zwar am Freitag den Vorschlag des Bundestags abgelehnt, so daß der Vermittlungsausschuß einen Kompromiß aushandeln muß. Doch im Antrag an den Vermittlungsausschuß fehlt der Auftrag, auch über Tempolimits zu verhandeln. „Das ist nicht zu akzeptieren“, zürnt Heidrun Heidecke (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltministerin von Sachsen–Anhalt. „Der Verzicht auf Tempolimits ist ein Anbiedern an die Autolobby.“ Der Antrag, die Geschwindigkeitsbeschränkung auch in den Antrag für den Vermittlungsausschuß aufzunehmen, wurde nur noch von Schleswig-Holstein, Hessen und dem Saarland unterstützt. Eine diesbezügliche Diskussion im Bundesrat fand nicht statt.

Heidecke greift vor allem Gerhard Schröder, den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, an: „Ausgerechnet Schröder, der strategisch und oft für Rot-Grün plädiert, hat sich in dieser Frage wieder einmal gegen die Ökologie und gegen die Interessen der Bürger entschieden“, wirft sie dem Sozialdemokraten vor.

Die Niedersachsen sehen das ganz anders. „Wir mußten den Antrag so allgemein halten, damit wir überhaupt eine Mehrheit im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses erzielen konnten“, sagt der zuständige Staatssekretär Helmut Holl (SPD). Ein Tempolimit könne im Ausschuß jederzeit wieder debattiert werden. Vor allem in den Ländern, in denen die SPD eine Koalition mit der CDU einging, ist ein Tempolimit bei hohen Ozonkonzentrationen umstritten. In Rheinland-Pfalz ist die FDP dagegen, und in Brandenburg regiert die SPD zwar alleine, gleicht sich aber schon mal im Zuge der kommenden Länderfusion an die laschen Verordnungen der großen Koalition in Berlin an: Die berüchtigten Raser zwischen Prenzlau und Cottbus sollen nicht durch Ozon gebremst werden. Sie werden aber aufgefordert, Autos ohne Kat ab 180 Mikrogramm Ozon stehen zu lassen.

Kommt es zu einem Wischiwaschi-Kompromiß im Vermittlungsausschuß, ist die Situation vielleicht schlimmer als ohne Bundesgesetz. Nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ gilt dann bundesweit der lasche Grenzwert von 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft für Fahrverbote – mit vielen Ausnahmen. Tempolimits gäbe es gar keine. Ohne Bundesgesetz bliebe es den Ländern vorbehalten, schärfere Regelungen zu erlassen. So gilt in Hessen ab 215 Mikrogramm Ozon Tempo 90 auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen. In Sachsen–Anhalt sieht die vor zwei Wochen beschlossene Sommersmogverordnung Bußgelder gegen Temposünder vor. Ab 180 Mikrogramm dürfte dann auf den Autobahnen noch 90, auf Landstraßen gar nur 60 gefahren werden. Für Lkw gälte in diesem Fall generell Tempo 60.

Derzeit laufen weitere interne Gespräche der Länder. Einige Landesregierungen setzen sich vor allem für eine „Öffnungsklausel“ ein. Das würde eigene Verordnungen bestimmter Länder ermöglichen. Ansonsten wird es laut Umweltministerin Heidecke „in diesem Sommer eine Nullösung geben“. Alle Bundesländer sind sich im klaren, daß nach der Verabschiedung des Gesetzes noch Monate vergehen werden, bis die vom Fahrverbot betroffenen Fahrzeuge mit einer Plakette gekennzeichnet sind.