Nicht so langzeithaft

■ Zwischenbilanz der „Zwangsberatung“ zu Prüfungen an der FU / 7.000 Exmatrikulationen, Studi-Zahlen unter 50.000

Die Freie Universität (FU) baut ab. Im laufenden Sommersemester verzeichnete die Statistik erstmals weniger als 50.000 Studierende. Vor Jahresfrist waren es noch rund 60.000 gewesen. Neben der leicht rückläufigen Zahl von StudienanfängerInnen ist dieser Schwund vor allem auf die von den Studierenden als „Zwangsberatung“ geschmähte Prüfungsberatung zurückzuführen. Auf deren Konto gehen rund 7.000 Exmatrikulationen, wie FU-Präsident Johann W. Gerlach gestern mitteilte.

Bereits im Wintersemester 94/95 hatte es eine Beratung zur Abschlußprüfung gegeben. Bei der Rückmeldung zum laufenden Sommersemester wurde nun erstmals die Beratung zur Zwischenprüfung praktiziert. Von den Studierenden jenseits des sechsten Semesters hatten 70 Prozent die Zwischenprüfung bereits abgelegt. Damit liegt dieser Anteil fast dreimal so hoch wie bei der Beratung zur Abschlußprüfung. Das zeigt nach Ansicht des Leiters der Studienabteilung, Traugott Klose, daß die größte Hürde der Übergang in die Examensphase ist. Weitere 17 Prozent nahmen an der Beratung teil, 13 Prozent kehrten der Uni den Rücken. Von den Studierenden im Zweitstudium verzichtete jedeR zweite auf eine Rückmeldung.

DozentInnen und Studierende waren sich in der positiven Bewertung des Gesprächsklimas einig. Das ergab eine Befragung, die Dieter Grühn vom „Projekt pro Lehre“ vorstellte. Bei der inhaltlichen Einschätzung der Beratung könnten die Unterschiede aber größer nicht sein. Zwar gestanden die Lehrenden ein, durch die Gespräche wichtige Informationen über die Lebensumstände heutiger Studierender gewonnen zu haben, die sich von ihrer eigenen Studiensituation drastisch unterschieden. Doch hielten sie sich als BeraterInnen für außerordentlich kompetent. Die Studierenden beklagten dagegen, daß die ProfessorInnen häufig nicht einmal die Studien- und Prüfungsordnungen ihres eigenen Faches kennen. Zudem lehnte mehr als die Hälfte die Beratung als „Zwangsinstrument“ ab.

Gerlach rechnete vor, daß bei rund 6.000 Zweitstudierenden und 4.000 PromovendInnen nur 40.000 gewöhnliche Studierende verblieben, die einen ersten Abschluß anstrebten. Im Verhältnis zu den Anfängerzahlen seien das „Größenordnungen, die gar nicht so langzeithaft sein können“. Wenn es gelänge, daß ein großer Teil der Studierenden mit zehn bis elf Semestern im Examen sei, dann sei in anderen Fällen auch ein vertieftes und damit längeres Studium zu akzeptieren. „Nicht in der Kürze allein liegt die Würze“, grenzte sich Gerlach von den Fachhochschulen oder einer reinen Berufsausbildung ab. Juristen, die schon im zweiten Semester statt in Seminare zum Repetitor gingen, um nach vier Jahren ihr „Freischuß“-Examen abzulegen, gehörten nicht unbedingt auf die Universität. Die wenigen verbleibenden „Langzeitstudenten“ seien nicht das Problem. „Wir sind nicht die Ordnungspolizei der richtigen Lebensführung“. Ralph Bollmann