Mit einem Bein im Grab

■ Die ARD will ihre Unterhaltungsprogramme verjüngen

Die gute Nachricht: Im Ersten wird es auch künftig nicht mehr Unterhaltungsprogramme geben als bisher. Die schlechte Nachricht: Auch sonst bleibt alles beim alten. Am Rande der Potsdamer Intendantentagung (s.o.) bemühte sich auch ARD-Programmdirektor Günter Struve, eine gute Figur zu machen. Der Herr über das Erste Programm steht in der ARD seit seinem Amtsantritt generell für mehr Unterhaltung und den kämpferischen Willen, die private Konkurrenz mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. So schob Struve Anfang des Jahres alle ästhetischen Bedenken beiseite – und ins Vorabendprogramm einen üppigen „Daily Soap“-Block, der der RTL- Jugendserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sowohl qualitativ als auch quotenmäßig durchaus das Wasser reichen kann. Trotzdem wirkt Struve immer mehr wie der Kapitän eines sinkenden Traumschiffes, dessen Mannschaft längst über Bord gegangen ist: Erst jüngst wechselte die letzte ARD- Unterhaltungshoffnung Harald Schmidt zu Sat.1, weil man ihm dort anbot, wozu sich die ARD nicht durchringen konnte: eine moderne Late-Night-Show.

Immerhin ein Deserteur ist reumütig auf Struves Kahn zurückgekehrt. Hape Kerkeling, bei RTL mit seinem Comedy-Projekt „Cheese“ kläglich untergegangen, wird nun zum Schiffsjungen des Ersten aufgebaut: Um mit neuen Formaten endlich die Jugend wieder an die ARD zu binden, sei der Dreißigjährige „zurückgewonnen“ worden. Auch einige andere Namen, die Struve für seine juvenile Unterhaltungstruppe angeheuert hat, sind eher altgediente ARD- Matrosen: Heinz Schubert, uns Älteren noch als Alfred Tetzlaff in bester Erinnerung, wurde für eine Serie verpflichtet, die Comedyshow von Diether Krebs, „Sketchup“, bekommt ein follow up. Ein Wiedersehen wird es auch mit Dieter Hallervordens „Spotlight“ geben, mit „Familie Heinz Becker“ und Max Schautzers „Pleiten, Pech und Pannen“. Neben den altgedienten Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Bruno Jonas darf dann auch Maren Kroymann – trotz ihrer homoerotischen Geständnisse – wieder für die ARD arbeiten. Und sogar der Travestiestar „Mary“ wird künftig wieder einen Sendeplatz besetzen.

Was Jugendliche an diesem Kesselbunten reizen soll, bleibt fraglich. Letztlich wirkt Struves Programmkonzept doch nur wie ein Fischzug durch die letzten zehn Unterhaltungsjahre. Der Sender hat sein Überalterungsproblem noch nicht gelöst. Aber immerhin bekennt man sich neuerdings offensiv zu seiner gerontophilen Neigung: Die Schubert-Serie firmiert unter dem richtungweisenden Namen „Mit einem Bein im Grab“. Klaudia Brunst