: Die Bitte um das dicke Fell
Als kleines Dankeschön für die liebevolle Pflege Ihres „Pfaffenbildes“ hier die Kopie einer Glosse, die ich für ein „Pfaffenmagazin“ geschrieben habe. Ansonsten vielen Dank für Ihre Arbeit, die mir seit vielen Jahren hilft, die Welt so im Blick zu behalten, wie sie wirklich ist.
Meine Tageszeitung redet regelmäßig von „Pfaffen“, wenn sie etwas vom Tun und Lassen der Pastoren jedweder Konfessionen zu berichten hat. Die Redaktionsmitglieder dieses aus anderen Gründen von mir geschätzten Blattes halten nun einmal die Pastorenschaft für den Hort von Engstirnigkeit, Bigotterie und reaktionärer Gesinnung. So ist jede Benutzung dieses Begriffes ein genußvoller Tritt in den pastörlichen Hintern.
Nun soll man Aversionen gegen kirchliche Amtsträger nicht mit Christenverfolgung gleichsetzen. Aber hartnäckig mißverstanden fühle ich mich als Angehöriger der Berufsgruppe „Pfaffe“ schon.
Mein Selbstmitleid hält sich aber in Grenzen, seit ich eine Kostprobe davon mitbekam, wie die Öffentlichkeit demokratischer europäischer Nachbarländer mit Pastoren umspringt. Da hat mich mein „Pfaffenstand“ für einige Tage nach London geführt, und wie ich aus der Hoteltür trete, fällt mein Blick auf ein Plakat in Hauswandformat. Es verkündet: „Pfarrer in heterosexuellen Skandal verwickelt.“ So etwas soll es ja geben, denke ich mir. Aber mich wundert schon, daß ein englisches Groschenblatt für so einen relativ alltäglichen Vorgang eine ganze Häuserwand reserviert. Denn in Alltagsdeutsch übersetzt besagt die Schlagzeile doch nur, daß ein englischer Pfarrer fremdgegangen und dabei aufgefallen ist.
So interessiert mich dann doch noch die kleiner gedruckte Unterzeile: Und da steht: „Unterschätze niemals, was der Rote Bulle fertigbringt.“ Und als ich dann auch noch die Getränkedose auf dem Plakat entdecke, geht mir ein Licht auf: Das ist einfach nur Werbung – so grob und gnadenlose, wie wir das in Deutschland nicht kennen. Zur Verkaufsförderung für das Erfrischungsgetränk „Red Bull“ wird direkt an alle sexuell eingefärbten Vorurteile gegenüber Pastoren appelliert: hoffnungslos verklemmt, psychische Krüppel, höchstens homosexuell aktiv, Männer, die man nur mit der Kneifzange anfassen kann. Und dann die Werbebotschaft: Selbst einen so hoffnungslosen Fall bringt „Red Bull“ gelegentlich auf Trab.
Igittigitt, kann ich nur sagen, egal ob diese Werbung meine Amtsbrüder zum Gespött macht oder irgendeine andere Personengruppe. Ich kann mir auch kaum vorstellen, daß eine Werbeagentur in Deutschland die Dreistigkeit besäße, so unter die pastörliche Gürtellinie zu schießen. Wenn doch, dann höchstens in der Absicht, durch den fälligen Skandal auf das beworbene Produkt aufmerksam zu machen.
Was lernen wir daraus? Die Bitte um ein dickes Fell sollte gelegentlich ins Gebet des Pfarrers aufgenommen werden. Für unsereinen und für alle, denen die Gemeinde Jesu am Herzen liegt, gibt es Wichtigeres zu tun, als uns mit den Unfreundlichkeiten und meinetwegen auch den Gemeinheiten aufzuhalten, die Pfarrer in einer offenen Gesellschaft gelegentlich abkriegen. Denn erstens gilt auch dabei „Von nichts kommt nichts“; und zweitens bedeutet aggressive Pfaffenkritik noch lange nicht, daß das Evangelium nicht immer von neuem seinen Weg zu den Menschen findet. Gerade diesbezüglich liefert England in jüngster Vergangenheit erstaunliche Beispiele. Harald Rohr, Pfarrer
und Umweltbeauftragter des
Kirchenkreises Herne
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen