■ Ausgerechnet in NRW stehen die Weichen auf Rot-Grün
: Ein Zug in die Zukunft

Wer hätte das gedacht. Hier die Traditions-Sozis aus Nordrhein-Westfalen, einst in der Bonner SPD- Baracke als finstere, rückständige „NRWlinge“ verspottet, dort die Meister der linksgrünen Sprechblasen, von Joschka Fischer noch vor einem Jahr als hoffnungslos politikunfähige „Sofortisten“ gegeißelt. Ausgerechnet auf diesen beiden, sich bisher fast antagonistisch gegenüberstehenden Lagern ruhen nun die reformpolitischen Hoffnungen in Deutschland. Denn eines ist gewiß: Scheitert der jetzt geschlossene Pakt, dann kann sich die Bonner Opposition den nächsten Bundestagswahlkampf besser gleich schenken.

Doch dazu muß es nicht kommen. Das ungleiche Düsseldorfer Paar hat einen Koalitionskompromiß zustande gebracht, der alle Möglichkeiten für eine erfolgreiches Bündnis bietet. Beispiel Garzweiler: Hier liegt jetzt eine Grundlage vor, auf der die unverzichtbare „Energiewende“ vorangebracht werden kann. Ein fortschrittlicher Kompromiß, der einerseits Raum schafft für einen ernsthaften Suchprozeß und andererseits radikale Brüche vermeidet.

Daß dagegen ausgerechnet ein Teil der Gewerkschaften Sturm läuft, ist ein Beleg für die Rückwärtsgewandheit dieser Organisation. Doch mit diesem Kurs, engste Klientelpolitik als Interessenvertretung von Lohnabhängigen zu verkaufen, werden weder die Bergbaugewerkschaft IGBE noch die Chemiegewerkschaft durchkommen. Innerhalb des DGB spielte die IGBE immer eine gewisse Sonderrolle. Zwei Faktoren prägten den Kurs: Zum einen die Montan-Mitbestimmung, die ihr besondere Mitspracherechte einräumte. Zum anderen der sozialpartnerschaftliche Politikstil, mit dem im Konsens mit dem Kapital und den großen Parteien die eigenen Interessen gewahrt und unvermeidliche Schrumpfungsprozesse sozial abgefedert wurden. Immer beruhte das Geschäft auf Gegenseitigkeit. So verpflichtete sich die IGBE schriftlich gegenüber den Energiekonzernen, öffentlich die Atomenergie zu verteidigen und bekam im Gegenzug Unterstützung für die nicht konkurrenzfähige deutsche Steinkohle.

Eine Konsequenz dieser Koalition von Parteien, Kapital und IGBE läßt sich im Bundeshaushalt ablesen. Für die Kohle gibt es dreihundertmal soviel Subventionen wie für die Förderung von Sonnenenergie. Rechnet man die staatlichen Aufwendungen für die Atomlobby zusammen, ergibt sich ein ähnliches Mißverhältnis für die regenerativen Energien. Diesen verhängnisvollen Kurs des alten Machtkartells aufzubrechen, gehört zu den wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der Düsseldorfer Koalition. Noch besteht für die IGBE die Chance, sich daran zu beteiligen. Verweigert sie sich, geht sie unter. Da helfen auch keine martialischen Proteste. Walter Jakobs