Spaniens Oberhorcher treten ab

■ Vizepräsident und Verteidigungsminister wegen Abhörskandal zurückgetreten / Opposition fordert mehr

Madrid (taz) – Spaniens Regierungschef Felipe González hat am Mittwoch abend seinen Vizepräsidenten Narcis Serra und Verteidigungsminister Julian Garcia Vargas entlassen. Der spanische Abhörskandal, bei dem durch den Geheimdienst jahrelang rechtswidrig Telefongespräche abgehört wurden, forderte damit seine ersten politischen Opfer. Die Nachfolger sollen am Wochenende bekanntgegeben werden.

Garcia Vargas und Serra hatten bereits vor zweieinhalb Wochen ihren Rücktritt angeboten, als bekannt wurde, daß der militärische Abschirmdienst CESID elf Jahre lang die Handys und Autotelefone von Politikern, Journalisten, Unternehmern und selbst König Juan Carlos ausspioniert hatte. Felipe González gab dem nicht statt. Er machte den Bock zum Gärtner und beauftragte Verteidigungsminister Garcia Vargas, in dessen Zuständigkeit der CESID fällt, und Narcis Serra mit den Nachforschungen.

Vize Serra, in dessen Amtszeit im Verteidigungsministerium von 1982 bis 1991 der Aufbau der Abhörabteilung fiel, hatte letzte Woche vor dem Parlament eine erste Kostprobe seiner Ermittlungen dargeboten. Unter lauten Protesten der Opposition breitete er eine Verschwörungstheorie aus. Der CESID überwache den Funkverkehr, um ausländische Agenten, Drogenhändler und Terroristen aufzuspüren. Ein abtrünniger Agent, der vom Militärgericht verhaftete Juan Alberto Perote, habe die zufällig aufgefangenen Gespräche entgegen ausdrücklichen Weisungen auf Kassette überspielt, registriert, gesammelt und anschließend verkauft, und das würden jetzt dunkle Mächte im Hintergrund benutzen, um nicht nur der Regierung, sondern dem gesamten demokratischen System zu schaden.

Die Rücktritte kamen nicht zuletzt auf Druck der katalanischen Nationalisten von CiU zustande, die die sozialistische Minderheitsregierung González unterstützen. Deren Chef Jordi Pujol hatte sich am vergangenen Wochenende zu einer Sitzung im Regierungspalast eingefunden. Gesprächsthema war die Rückgewinnung der Regierungsstabilität, um so die spanische EU-Präsidentschaft, die am Samstag beginnt, gelassen anzugehen.

Die Opposition will sich mit den beiden Rücktritten nicht zufriedengeben. González versuche sich aus der Verantwortung zu stehlen, kritisiert der Sprecher der konservativen Partido Popular (PP), Loyola de Palacio, und fordert den Rücktritt des Regierungschefs. Die kommunistische „Vereinigte Linke“ schließt sich dem an. González wollte sich gestern nachmittag persönlich vor dem Parlament zum Abhörskandal äußern. Reiner Wandler