Das ganze Gefühle

■ Klischee-Weiblichkeit: „Medeas Töchter“ im Theater am Halleschen Ufer

Premiere im Theater am Halleschen Ufer. Claudia Feest von der Tanzfabrik zeigt „Medeas Töchter“. Thema, das liegt beim Titel nahe, ist der antike Stoff, dem die Choreographin aktuelle Seiten abgewinnen möchte. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, doch schon beim Lesen des Programmheftes beginnt man zu stutzen. Da ist von der „weiblichen Seele“ die Rede und von „uns Frauen“. Wer bitte ist das? Der Türke an sich ist gastfreundlich, der Neger an sich sauber, und das Weib an sich?

Was dann auf der Bühne zu sehen ist, entspricht so ungefähr dieser Lesart: Auf geht es zu den Nebeln von Avalon, zur wahren weiblichen Seele, die natürlich (Natur, Natur) ganz von Gefühlen bestimmt ist. Sie sollen sich beherrschen lernen, ihre Emotionen unter Kontrolle behalten, werden die drei tanzenden Medeas – das sind Yoshiko Waki, Ka Rustler und Sabine Lemke – von der Sängerin Shelley Hirsch beschworen, die die Inszenierung mit einer Vokalkomposition begleitet und hier die Rolle des Jason übernommen hat.

Jede ein anderes Klischee von Weiblichkeit: Yoshiko Waki ist das wilde, ungebändigte Urtier, das sich das Gesicht mit Asche verschmiert. Eine exotische Hexe, die am Ende das blitzende Hackebeilchen zückt. Ka Rustler ist die weibliche Anima, mit Bewegungen, weich wie ein Raubtier. Kein Zweifel, beide sind wunderbare Tänzerinnen, und wäre der Kontext nicht so haarsträubend, so wäre manche ihrer Bewegungssequenzen wunderbar. Schließlich Sabine Lemke, sie tanzt die Medea als Femme fatale. Auch Lemke kann hervorragend tanzen, nur leider tut sie es seit vielen Jahren auf eine so penetrant gleiche Weise, daß die Qualität dabei nach und nach verschwunden ist.

Es ist durchaus respektierlich, wenn sich jemand die Rolle der Femme fatale als Lebensthema wählt. Allerdings nur, wenn die Darstellerin mit der Rolle wächst und ihr so immer neue Seiten abgewinnen kann. Bei Sabine Lemke gibt es nur noch ebenso gekonnte wie hohle Gesten, geeignet für die Werbung von Kosmetikartikeln. Wenn die Tänzerin selbst das nicht merkt, so sollten doch die Choreographen, die mit ihr arbeiten, dies zu verhindern wissen. Doch offensichtlich bürgt eine langjährige Zusammenarbeit nicht immer für Qualität, manchmal macht sie auch blind. Michaela Schlagenwerth

Bis 2. 7. und 4.–9. 7., 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer 32