■ Beim Vorstoß der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD), Haschisch und Marihuana künftig in Apotheken zu verkaufen, sind nicht Ort und Vertriebswege entscheidend - es geht um eine Wende in der Drogenpolitik.
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Beim Vorstoß der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD), Haschisch und Marihuana künftig in Apotheken zu verkaufen, sind nicht Ort und Vertriebswege entscheidend – es geht um eine Wende in der Drogenpolitik.

Haschisch: Rauchzeichen aus Kiel

„Schon meine Großmutter hat gesagt, man soll von einem Ochsen nicht mehr erwarten als ein Stück Rindfleisch“, amüsiert sich der Hamburger Hanfexperte Hans- Georg Behr über den Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Eduard Lintner (CSU), seit Jahren verläßlicher Kettenhund wider liberale Umtriebe in der Drogenpolitik, erfüllt alle Erwartungen. Nur wenige Stunden nach dem Vorstoß der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) zum staatlich kontrollierten Umgang mit Cannabis meldete sich der hauptamtliche Bedenkenträger heftig zu Wort: „Deutschland würde zum Mekka für Kiffer und Haschfreaks“, vertraute er der Bild-Zeitung an. Mit ihm sei eine solch „abenteuerliche“ Drogenpolitik nicht zu machen.

In Rage gebracht hatte den CSU-Mann der Kieler Vorschlag, Haschisch und Marihuana künftig unter staatlicher Aufsicht in Apotheken zu verkaufen. Mit ihrer Initiative steht Heide Moser indes längst nicht alleine da. Eine „dicke Mehrheit“ unter den Gesundheitsministern der 16 Bundesländer hatte die Ministerin vergangenes Jahr beauftragt, nach neuen Wegen im Umgang mit Cannabis zu suchen.

Dieser neue Weg muß nicht unbedingt in die Apotheke führen. Mosers Sprecherin Bärbel Krauskopf hält auch andere beaufsichtigte Vetriebswege für möglich. Neben Apotheken kämen auch Gesundheitsämter, Drugstores oder Jugendzentren als Verkaufsstationen in Betracht. Aber nicht der Ort ist entscheidend. Der Kieler Ministerin und ihren Mitstreitern in den rot und rot-grün regierten Ländern geht es um eine andere Drogenpolitik:

– zwischen harten Drogen wie Heroin und Kokain und weichen Drogen wie Haschisch und Marihuana soll künftig sauber getrennt, das Betäubungsmittelgesetz entsprechend geändert werden. Haschisch soll darin unter der neu zu schaffenden Kategorie „kontrollbedürftige Genußdroge“ geführt werden;

– der Verkauf von Haschisch soll aus dem kriminellen Dealermilieu herausgelöst, die Märkte von Haschisch und Heroin strikt getrennt werden;

– Haschisch soll nicht länger als „Einstiegsdroge“ verteufelt werden;

– die Abgabe von Haschisch soll unter staatliche Aufsicht gestellt, die Qualität kontrolliert werden.

Diese vier Punkte bilden den Kern der Schleswig-Holsteiner Initiative, für die Moser jetzt trommeln will. „Wir gehen Klinkenputzen und suchen uns Bündnispartner“, sagt Krauskopf. Die ersten Mitstreiter haben sich schon gemeldet. Das Saarland, Niedersachsen und Hessen signalisierten grundsätzliche Übereinstimmung, Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin lehnten den Vorstoß ab. Vor allem Bayerns oberste Gesundheitswächterin Barbara Stamm schäumte in gewohnt pastoraler Manier: Die Legalisierungsabsichten seien „ein Schlag ins Gesicht“ all derer, die drogenabhängigen Menschen einen Weg aus der Sucht weisen wollen.

Dieser Meinung ist offenbar auch Klaus Stürzbecher. Mit der Aussicht konfrontiert, künftig zum obersten Dealer der Republik aufzusteigen, ging der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände schroff auf Distanz. Einer Ausweitung des Drogenkonsums „werden die Apotheker nicht Vorschub leisten“. Doch die Zunft ist gespalten. Einzelne Landesverbände wie zum Beispiel Niedersachsen zeigten durchaus Sympathie für den Moser-Vorschlag.

Der Streit ist in vollem Gange, die politischen Fronten sind verhärtet. Währenddessen hat die gesellschaftliche Realität die Drogendiskussion längst überholt. 3,5 Millionen KifferInnen in der Bundesrepublik pfeifen auf überholte Verbote und ziehen regelmäßig einen durch. Dem kann sich auch die Justiz nicht länger verweigern, die noch in den 80er Jahren jährlich mehr als 40.000 Cannabis-Vergehen (unter zehn Gramm) aburteilte: Die Wende in der Haschischpolitik verkündete am 28. April 1994 das Karlsruher Bundesverfassungsgericht. Kriminalpolizei und Justiz, so die Entscheidung der obersten Richter, hätten von Strafverfolgung „grundsätzlich abzusehen, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Mengen und ausschließlich zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben oder besessen werden“. Grundsätzlich sollen Haschisch und Marihuana aber weiterhin unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Ein bißchen erlaubt und ein bißchen verboten.

Gleichzeitig verdonnerten die Richter die Politiker zu einem einheitlichen Vorgehen. Von Flensburg bis Passau soll fortan geregelt werden, was unter einer „geringen Menge“ eigentlich zu verstehen ist: bis zu vier Kilo, wie der Lübecker Richter Wolfgang Nescovic definierte, oder nur wenige Krümel, die in Bayern schon eine Großfahndung auslösen können? Das Begehren der Richter ist bis heute unerfüllt. Im Schleswig-Holsteiner Modell werden jetzt 30 Gramm als Grenzmenge für den Verkauf vorgeschlagen.

Die 30 Gramm entsprechen exakt dem holländischen Vorbild. Die Nachbarn links vom Rhein behandeln schon seit 1976 den bloßen Besitz geringer Cannabis- Mengen als Ordnungswidrigkeit. Bereits ein Jahr zuvor hatte „Radio Hilversum“ erstmals die Haschischpreise über den Äther verkündet. Heute werden Shit und Gras in zirka 1.500 „Coffee Shops“ vertrieben, pflanzen 20.000 bis 40.000 Gärtner das besonders potente holländische „Nederwiet“ mit hohen THC-Gehalten an.

Der Staat als Dealer? Auf diese Frage weiß man auch in Kiel noch keine Antwort. „Wo sollen wir den Kram hernehmen?“ fragt Sprecherin Krauskopf. Klar ist nur, daß auch die Herstellung „auf legale Füße“ gestellt werden soll. Werden deutsche Schweinemäster und Maisbauern also zu neuen Hanfbaronen? Laden wir unsere Wasserpfeife künftig statt mit afghanischem Mazari-Scharif mit bayerischem Watzmann-Gold? Und wer garantiert den pestizidfreien Öko- Turn? Fragen über Fragen.

Aber auch Ministerin Moser sieht sich ja erst „am Anfang eines langen Weges“. Wohin wird er führen? Vieles deutet auf eine „holländische Lösung“ hin, glaubt Hans-Georg Behr. Die Apotheker würden jetzt nur vorgeschoben, um die Pietisten nicht zu beunruhigen. Für Behr ist die Apotheke zum Verkauf von Haschisch „genauso geeignet wie ein Igel zum Arschabwischen“. Er fordert konsequenterweise: Drogen in die Drogerie! Manfred Kriener/Walter Saller