Neonazi Althans gibt sich als Opfer aus

Seit gestern steht Bela Ewald Althans, Hauptdarsteller des Films „Beruf: Neonazi“ wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht / Er leugnet / Eine Prozeßtaktik, die sich nicht bewährte  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Große Sicherheitsvorkehrungen im Landgericht Moabit. Besucher, die in den Saal 701 wollen, müssen ihren Personalausweis vorzeigen, die Schuhe ausziehen und sich nach Waffen abtasten lassen. Braune Vorhänge und Panzerglas trennen Sitzungssaal und Flur. Vorhänge versperren die Sicht. Wer jünger als 16 Jahre ist, darf gar nicht erst rein. Drinnen wird einem Verführer der Prozeß gemacht, dem man nachsagt, er sei einer der schlimmsten Nazis seit 1945.

Der Angeklagte Bela Ewald Althans, 29, macht auf unauffällig. Er trägt ein verwaschenes Bluejeans-Hemd mit abgeschabtem Kragen. Um die Augen haben sich schwarze Schatten gelegt, Spuren von acht Monaten Haft. Er, der wegen seiner Körpergröße von seiner fast zwei Meter gerne „Hüne“ genannt wird, legt eine Elendsnummer hin. Selbst seine blauen Augen verlieren im Gerichtssaal ihren ihnen nachgesagten teutonischen Glanz. Trug er etwa im Film „Beruf: Neonazi“ knallblaue Kontaktlinsen, hatte er seine Stoppeln hellblond gefärbt? Jetzt jedenfalls sitzt auf der Anklagebank eine stumpf gewordene Kopie des Dokumentarfilms.

Die Staatsanwaltschaft läßt sich vom gebotenen Bild nicht beeindrucken. Sie wirft Bela Ewald Althans neben Volksverhetzung auch Beleidigung und Verunglimpfung des Staates vor, weil er im Film den Holocaust geleugnet habe. Winfried Bonengel hatte 1992 den Neonazi porträtiert und den Film ein Jahr später gezeigt. Das Porträt enthält einige Szenen, in denen der Protagonist Ungefiltertes zu Auschwitz und zur Vergangenheitsbewältigung von sich geben darf. Ignatz Bubis vom Zentralrat der Juden in Deutschland erstattete Anzeige, die der hessische Staatsanwalt übernahm, woran sich die Berliner anhängten; die Kopien wurden beschlagnahmt. Jetzt darf der Film nur noch mit Vorspann zu Lehrzwecken gezeigt werden. Darin zu sehen ist Althans, der Hüne, wie er durch Polen fährt und sagt, daß es sich bei den ehemaligen deutschen Gebieten heute um geraubtes Land handele. In der Gaskammer des Konzentrationslagers Auschwitz ereifert er sich: „Hier wurden niemals Menschen vergast.“ Der Raum, das Lager, alles nur eine Attrappe. In Cottbus gibt er sich als feuriger Redner vor braunem Nachwuchs. „Wo die Jugend um Hilfe ruft, fange ich sie ein“, sagt er in die Kamera. Sollte das Landgericht ihn für schuldig befinden, muß er sich darauf gefaßt machen, bis zu fünf Jahren in den Knast zu gehen.

Vor der Zweiten Strafkammer gibt Althans sich als Hauptdarsteller, der gewappnet ist. An seiner Seite sitzt der Münchener Rechtsanwalt C. Bregelmann, doch den braucht er nicht. Althans spricht für sich selbst, fällt Richter Brüning forsch ins Wort, wenn's ihm paßt, entschuldigt sich aber geschickterweise anschließend. Da sitzt einer, der weiß, was zu einer Gerichtsverhandlung an subtilen Mitteln und Methoden dazugehört. Läßt die Konzentration des Publikums nach, wenn der Richter die Beschlagnahmebegründung verliest, holt Althans demonstrativ mit dem Bein aus wie das Pendel an der Standuhr. Nickt das Publikum fast ein, knallt er mit Wucht den Deckel einer Akte zu. Er kennt seine Partie. Er ist geschult in Rhetorik, Sprache und Philosophie. Altnazis waren seine Lehrer. NS-Luftwaffengeneral Ernst Remer schliff anderthalb Jahre den damals 20jährigen, der verstorbene Neonazichef Michael Kühnen kümmerte sich um ihn. Er ist noch heute ein Freund des deutsch-kanadischen Holocaust- Leugners Ernst Zündel.

Vor Gericht leugnet auch Althans. Ein Neonazi sei er nicht mehr. Bereits 1990, zwei Jahre vor Drehbeginn, sei er ausgestiegen. Niemals habe er den Holocaust geleugnet, das könne er schon wegen seines jüdischen Großonkels nicht. Bonengels Film sei falsch, die Sequenzen, die ihn als Nazi zeigten, „totale Verdrehungen“. Es liege ihm „alles daran“ zu beweisen, daß „Beruf: Neonazi“ eine Lüge sei. Das Gericht nimmt sich vier Tage Zeit für die Verhandlung.