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Soldaten sind keine Killer

■ Amtsgericht Salzgitter verurteilte Leserbriefschreiber und Redakteur

Hannover (taz) – Die soldatische Ehre steht hierzulande weiter unter besonderem Schutz des Staates: Wegen Beleidigung von Bundeswehrsoldaten verurteilte das Amtsgericht Salzgitter gestern den Physiker Thomas Keller (23) zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen. Mit der gleichen Strafe bedachte Amtsrichter Ulrich Schulz den Redakteur Frank Groß wegen Beihilfe. Keller hatte im letzten Sommer an die Anzeigenzeitung Salzgitter-Woche einen Leserbrief geschickt, in dem er eine Werbeshow des Heeres, „Bundeswehr live“, kritisierte und Soldaten allgemein als „im wahrsten Sinne des Wortes bezahlte Killer“ bezeichnete. Redakteur Groß veröffentlichte den Leserbrief, was drei Anzeigen wegen Beleidigung und eine polizeiliche Durchsuchungsaktion der Redaktionsräume nach sich zog. In seiner Urteilsbegründung stellte selbst Amtsrichter Schulz fest, daß sich „eigentlich niemand so recht beleidigt gefühlt hat“. Schließlich hatten neben einem Reservisten nur die beiden für die Bundeswehrshow verantwortlichen Offiziere Strafantrag gestellt. Dennoch wollte der Amtsrichter „zeigen, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit sind“. Ein Killer trage psychopathische Züge, sei ein „Typus von Mensch, der bei Fuß steht, um bei Bedarf ohne Skrupel zu töten“. Eine solche Charakterisierung aber beleidige alle Bundeswehrsoldaten. Der Leserbriefschreiber berief sich in der Verhandlung auf ein Buch des Ex-Stern-Chefredakteurs Rolf Winter über den Zweiten Weltkrieg. Dort steht: „Soldaten waren bezahlte Killer ...; das war damals so und ist heute im Ernstfall nicht anders.“ Seine Verteidigerin Barbara Kramer nannte das ganze Verfahren „eine Schande für den Rechtsstaat“. Jürgen Voges

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