Identitäten zu kaufen gesucht

■ Werbung in eigener Sache: Das imagefördernde TV-Design

Früher war alles ganz einfach. Da gab es drei Fernsehprogramme, die man sich über Antenne in die gute Stube holen konnte, und stets war man gleich im Bilde, wo man gerade zu Gast war. Kulenkampff und Köpcke waren das Erste, Thoelke und Ede Zimmermann das Zweite, und da, wo es weder was zu lachen noch Reklame gab, war das Dritte. Doch eigentlich interessierte einen das herzlich wenig. Man hatte Lieblingssendungen, aber keinen Lieblingssender. Da man zum Umschalten noch aufstehen mußte, guckte man Programme brav zu Ende. Und einen Begriff wie „Art- direction“ hielt man bei ARD und ZDF womöglich noch für ein neues Fremdwort aus der Verhaltensforschung.

Seit die Zeiten von eins-zwei- drei auch hierzulande vorbei sind und immer mehr Kanäle um ZuschauerInnen buhlen, brauchen auch Sender Identitäten. Sogenannte Corporate Identities, die bei dem Bemühen, sich selbst zu verkaufen, Unverwechselbarkeit, Wiedererkennungswert, Image usw. transportieren sollen. Das über weite Strecken austauschbare Programm reicht dazu ebensowenig wie Prominente, die ihre Nasen heute für diesen und morgen für jenen Kanal in die Kamera halten. Im Prinzip das gleiche Problem wie beim Waschpulver. Wo mehr oder minder überall dasselbe drin ist, braucht es halt andere Strategien, um der Kundschaft bestimmte Perls in die Trommel zu schwatzen.

Rosige Zeiten für TV-Designer. Einige der renommiertesten Vertreter dieser aufstrebenden Zunft trafen sich jüngst auf der Cologne Conference im Rahmen des Kölner Medienforums, um über ihr Gewerbe zu debattieren. Mit David Carson war sowohl der (aktuelle) Stardesigner schlechthin dabei wie mit Stephan Boeder ein Urvater, zumindest was TV-Design in Deutschland angeht. Schließlich kreierte Boeder mit der wirbelnden ARD-Eins 1984 das erste animierte dreidimensionale Logo für hiesige Bildschirme.

Das Profil von Pro7 kommt aus Hollywood

Als 1991 premiere auf Sendung ging, war alle Welt entzückt über das schlichte schriftorientierte Design, das Hubert Schillhuber in Zusammenarbeit mit dem (damaligen) Stardesigner Neville Brody ausgetüftelt hatte. Ähnliches machte Schillhuber dann noch für die ORF und – reichlich modifiziert – für Viva. Doch international ist Schillhubers Firma trotz aller Erfolge ein kleiner Fisch. Denn inzwischen kaufen auch europäischer Sender ihr Outfit für viel Geld in England und den USA ein. So ließ sich RTL die knallbunte Weltkugel mit dem Vulkanausbruchs-Touch von der Londoner GRFX Novocom schneidern, und der neue Pro7-Look ist made in Hollywood bei PSFOY. Eine Design-Firma, die, wie ihr Miteigentümer Ed Sullivan in Köln demonstrierte, vor allem aufwendige Animationen kreiert. Ganz im Gegensatz zu dem Briten Martin Lambie- Nairn, einem anderen Branchengiganten, der es mehr mit filmischen Elementen hält und unlängst das arte-Design renoviert hat. Ob verbessert, ist Geschmackssache, aber zumindest kommt der Sender jetzt nicht mehr ganz so elitär und sophisticated daher. So was ist schließlich auch für einen notorisch quotenschwachen Kulturkanal von Interesse. Und auch Fred Kogl hat ja bereits angekündigt, daß er den albernen Sat.1-Ball mit seinem Kindergeburtstagsimage vom Schirm kicken möchte.

Riskant bleibt solch ein Ankauf von Identitäten allemal. Zum einen ist, verglichen mit Waschpulver, selbst ein Spartenkanal ein überaus komplexes Produkt. Zum anderen verwenden die ausländischen Stardesigner nur begrenzte Zeit darauf, sich mit Image und Programmprofil des jeweiligen Kunden auseinanderzusetzen. Statt dessen verlassen sie sich auf (Möchtegern-)Angaben aus dem Sender selbst. Was im Ergebnis bisweilen zu so albernen Inkongruenzen führt, als würde irgendein Imageberater den Mann aus Oggersheim auf einmal mit Hawai- Hemd und Baseballkappe rumlaufen lassen. Zudem haben die weltweit operierenden Agenturen, die Sendern ein unverwechselbares Design verkaufen, natürlich ein Interesse daran, auch ihre eigene Unverwechselbarkeit zu verkaufen. Was unweigerlich dazu führt, daß viele Designs einer Firma von frappierender Ähnlichkeit sind und um einen einheitlichen Look bemühte Sender unversehens im Einheitslook daherkommen.

Doch auf absehbare Zeit können sie sich damit beruhigen, daß über die Effizienz dieser fieberhaften Identitätssucherei so gut wie nichts bekannt ist. Womöglich ist das Ganze am Ende auch ein eher selbstreferentieller Hype, für den sich die ZuschauerInnen daheim an den Geräten nicht die Bohne interessieren. Reinhard Lüke