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■ Das Trauer- und Verwirrspiel um eine Ozonverordnung„Effefinger“ für grüne Ministerin

In Hessen wurde von der grünen Superministerin Iris Blaul Ozonalarm ausgelöst – doch kaum einen Autofahrer oder eine Autofahrerin hat das gestern noch interessiert. Im vergangenen Jahr noch waren sie brav langsamer gefahren. Aber jetzt, nach dem monatelangen Verwirrspiel um eine bundeseinheitliche Ozonverordnung, haben sie einfach wieder Gas gegeben.

Noch unter Umweltminister Joschka Fischer hatte Hessen 1994 mit einer Ozonverordnung schnell, überzeugend und im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die gesundheitsgefährdenden Ozonkonzentrationen in der Atemluft regiert: Tempo 90 auf Autobahnen und Tempo 60 auf Landstraßen bei Ozonwerten von über 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nur die „Stinker“ ohne Katalysator bekamen auch Fischer und sein Nachfolger von Plottnitz nicht vom Asphalt. Denn für die Anordnung von Fahrverboten hätte es einer bundeseinheitlichen Regelung bedurft. Doch Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) sah keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Daraufhin kochten alle Bundesländer ihr eigenes Süppchen.

Weil der Sommersmog schon im Frühjahr 1995 wieder Thema war, drängten sie jedoch erneut auf eine einheitliche Verordnung. Und die neue Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) ließ sich auch nicht lange bitten: keine Geschwindigkeitsbeschränkungen bei Ozonalarm. Dafür aber ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge ohne geregelten Katalysator – ab einer (bislang nie erreichen) Ozonkonzentration von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Dazu servierte die Ministerin einen üppigen Ausnahmekatalog, der das Fahrverbot zur Farce werden ließ. Die UmweltministerInnen der nicht unionsregierten Länder gingen auf die Barrikaden und forderten ein Fahrverbot schon bei Ozonwerten von über 180 Mikrogramm und die flächendeckende Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Nur einen Tag später fielen etliche Revoluzzer, darunter der rote Oskar Lafontaine, wieder um. Nur noch Iris Blaul in Hessen hielt tapfer das rot-grüne Fähnlein hoch.

Doch auch ihr ist es inzwischen weggenommen worden. Innenminister Bökel (SPD) strich den Temposündern der Vergangenheit die über sie verhängten Bußgelder, weil demnächst ohnehin keine Geschwindigkeitsbeschränkungen mehr angeordnet werden dürften. Deshalb zeigten die AutofahrerInnen der grünen Ministerin und ihrem allerletzten Tempolimit kurz vor Toresschluß gestern kollektiv den „Effefinger“. Gratulation an Frau Merkel, Schande über die SPD – und ein Beileidstelegramm an die Umwelt. Klaus-Peter Klingelschmitt

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