"Berlusconi wäre auch 'ne schöne Rolle"

■ Interview mit Harald Juhnke über seine aktuelle Rolle in der Fallada-Verfilmung "Der Trinker", die finstere Seite einer sonnigen Charmeur-Existenz, seinen Alkoholismus, seine Popularität, seinen Han

taz: Herr Juhnke, die Verfilmung von Falladas „Trinker“ ist für Sie mehr als ein Job. Es ist Ihr Projekt, das Sie mit Energie vorangetrieben haben. Wenn man das Buch wieder liest, ist man erstaunt, wie schwarz diese Geschichte ist, die Harald Juhnke so viel bedeutet. Im Grunde ist Falladas Trinker-Geschichte sehr pessimistisch, bis hin zum verzweifelten Selbstmord des Protagonisten.

Harald Juhnke: Ja, das ist ganz pessimistisch.

Und wie geht das mit dem sonnigen, notorisch gutgelaunten Entertainer zusammen, als den man Sie kennt?

Na, der Entertainer ist ja gar nicht so sonnig, ich habe ja Gott sei Dank zwei Seiten, von denen eine recht finster ist.

Sie haben schon vor Jahren gesagt, sie würden gerne den „Trinker“ verfilmen. Mußten Sie erst beweisen, daß Juhnke auch abseits der Albernheiten von „Harald und Eddie“ funktioniert, bevor man Sie heranließ? Anders gefragt: Hätten Sie sich denn selber an einen solch dunklen Stoff gewagt, als Ihre Publikumsgunst noch nicht so gesichert war?

Nein, da hätte ich's nicht gemacht. Ich habe das ernste Fach immer erst am Theater ausprobiert, da wollten die im Fernsehen noch, daß ich den Clownemax mache. Die konnten sich überhaupt nicht vorstellen, mich an ernste Rollen heranzulassen. Aber manchmal ist auch Glück im Spiel. Der Helmut Dietl hat mich für „Schtonk“ engagiert, weil er mich in einer Folge von „Drei Damen vom Grill“ gesehen hatte. Das muß man sich mal vorstellen! Der sagte, ich gucke mir den Quatsch an im Hotelzimmer, weil ich nichts zu tun habe, dann taucht Juhnke auf, und ich denke, der hat ja damit überhaupt nichts zu tun. Der ist aber unterschätzt.

Sie als den „Trinker“ zu besetzen, ist das nicht doch vor allem ein PR-Gag?

Nein, ich habe vor zehn Jahren zum ersten Mal eine Fallada- Geschichte gespielt – „Ein Mann will nach oben“, und dabei bin ich auf dieses Buch gestoßen. Ich war fasziniert und habe es verschlungen. Ich wollte es dann immer schon verfilmen, aber da wollte keiner so richtig herangehen, und es brauchte eine Zeit, bis die Leute gemerkt haben, der Juhnke ist am besten, wenn er gebrochene Charaktere spielt, so wie in „Schtonk“ oder „Der Papagei“. Und natürlich kam dann noch ein voyeuristisches Interesse hinzu – Juhnke, der Trinker, spielt den „Trinker“, das gibt 'ne schöne Einschaltquote. Dabei spiele ich ja hier eine Figur, ich spiele ja nicht mich, aber das ist egal, ich kenne mich in dieser Krankheit aus. Plenzdorf, der das Drehbuch geschrieben hat, war auf meiner Linie, er hat gesagt, ich schreibe die Geschichte eines kranken Mannes. Und damit hat er recht, Alkoholismus ist ja immer noch nicht als Krankheit angesehen. Du wirst verscheißert, wenn du säufst. Niemand würde auf die Idee kommen, dich zu verscheißern, wenn du Nierensteine hast. Die Figur, die ich spiele, muß, bei allem Schrecklichen, das sie ihrer Umwelt antut, Mitleid erwecken.

Falladas „Trinker“, dieser Erwin Sommer, ist eine sehr finstere Figur, ein destruktiver Mensch, der vom Bösen angezogen wird. Schwer vorstellbar, wie der leutselige Publikumsliebling Juhnke das spielen soll. Haben Sie an dem Charakter gedreht, bis er ihnen paßte?

Die meisten der dämonischen Szenen haben wir dringelassen. Einmal attackiert der Held seine Frau und würgt sie. Aber solchen Szenen stehen dann die gegenüber, in denen der Trinker unter sich selber leidet.

Es gibt da eine Stelle bei Fallada, wo Schauspielern und Trinken in einen Zusammenhang gerückt werden. Da sagt der Trinker über sich selbst: „Er schaut sich mit einem Staunen zu, mit einer fast ängstlichen Betretenheit, wie man vielleicht einem Schauspieler zuschaut, der eine sehr gewagte Rolle übernommen hat...“

Ja...

„...von der er ganz und gar nicht sicher ist, daß er sie auch überzeugend zu Ende spielen kann.“

Ja, das ist so, das ist bei ihm so, sobald er anfängt zu saufen. Dann schaut er sich zu. Dann findet er sich wunderbar. Er fühlt sich beinahe wie Maurice Chevalier.

Mit diesem Projekt exponieren Sie sich persönlich viel stärker als mit früheren Filmen.

Sicher, das Risiko ist größer als bei anderen Projekten, und gescheitert wäre ich natürlich, wenn mein Publikum sagen würde, kiek ma, der spielt ja 'n kaputten Mann da, das wollen wir von dem Harald nicht sehen. Aber das glaube ich nicht. Mein Publikum ist sehr heterogen. Seit ein paar Jahren gehört auch die studentische Jugend dazu, die sich nie für mich interessiert hat, als ich „Musik ist Trumpf“ gemacht habe.

Sie sind Deutschlands Vorzeige-Alkoholiker, die Boulevardpresse kann wochenlang von Ihren Exzessen leben, und Sie selber leben als angejahrter Charmeur auch nicht schlecht. Und nun spielen Sie den „Trinker“, eine Rolle, durch die alle Welt den wahren Harald wird sehen wollen. Warum bringen Sie sich in diese Situation?

Zunächst mal ist es auch eine Selbsttherapie irgendwo, wenn man so was spielt. Ich käme bei diesen Dreharbeiten nie auf die Idee, zu saufen, denn betrunken kann man keinen Betrunkenen spielen. Und zweitens ist das auch ein Anliegen, da habe ich mit meinem Arzt drüber gesprochen, der hat gesagt, Herr Juhnke, wenn Sie das machen, ist das toll, das könnte auch für unsere Patienten wichtig sein. Man sieht ja hier genau, wie das bei Alkoholkranken ist, diese Verdrängung, daß man sich weigert, zum Arzt zu gehen, das Verstecken von Reserven und so weiter, bis zu dem Selbstmord am Ende, wo Erwin Sommer reinen Alkohol in sich hineinschüttet. Und vorher die Zerrüttung der Beziehung zu seiner Frau, die ihn dann verläßt, was man ja verstehen kann.

Bei Ihrer Beliebtheit muß man allerdings befürchten, daß das Publikum hier auf der Seite des „Trinkers“ bleibt. Schließlich hat man ihnen nicht nur all Ihre Exzesse verziehen, man hat sogar noch mit Ihnen gelitten. Sie sind der Exzeßexperte, dem die kleinbürgerliche Leserschaft alles nachsieht.

Kürzlich rief mich eine Redakteurin der Bild-Zeitung an und wollte wissen, was ich von dem Fall Hugh Grant halte, und was ich Grant in seiner Lage jetzt raten würde. Ich hab' gesagt, daß er ganz schön ungeschickt war, das so mitten in der Stadt zu machen. „Wird man es ihm verzeihen?“ hat sie mich gefragt. Da hab' ich ihr gesagt, nun seid doch nicht so prüde. Heute kann man über schwule Beziehungen reden, über lesbische kann man reden, was soll das Geschrei. Na ja, Herr Juhnke, hat sie gesagt, Sie haben gut reden, Ihnen würde man auch das verzeihen. Sie können ja sonstwas machen.

Das ist seltsam mit meiner Beliebtheit. Letztens habe ich für das Österreichische Fernsehen eine Sache mit Frank Castorf zusammen gemacht über die Theatersituation in Berlin. Und dabei sind wir so gemeinsam durch Berlin gefahren. Der Castorf hat sich gewundert, hat gesagt, das habe ich überhaupt noch nicht erlebt, wie populär einer sein kann. Wir saßen in einem offenen Wagen, und die Leute kamen da alle von Christo her – laut ,Harald!‘, ,Harald!‘ johlend. Da hat der Castorf gesagt, das ist ja, als wenn man mit dem Führer persönlich unterwegs ist. Das ist ja richtig unheimlich.

Es zieht Sie aber doch in den letzten Jahren unwiderstehlich zum Höheren hin, zum ernsten Fach?

Na, wen könnt' ich denn noch spielen? Springer könnte ich spielen. Ich hab' so eine gewisse Ähnlichkeit, hat man mir jedenfalls früher gesagt. Da gibt's ja jetzt ein ganz gutes Buch, eine Biographie von dem Michael Jürgs. Das trifft ihn auch privat so, wie ich Ihn erlebt habe.

Ach, Sie haben sich gekannt?

Ja, er war sehr elegant, sehr

Fortsetzung auf Seite 13

Fortsetzung

locker, so'n Paradiesvogel, der sich über seine Macht vielleicht gar nicht ganz im klaren war.

Können Sie sich Harald Juhnke vorstellen, wie er einen Machtmenschen spielt?

Ja, warum nicht? Wenn er Charisma hat. Vor kurzem war ich in Hannover, wo ich eine Gala hatte, und danach war ich mit dem Ministerpräsidenten Schröder zusammen, der auf mich einen fabelhaften Eindruck macht. Der gibt sich nicht so staatsmännisch wie Helmut Schmidt, mit dem man ihn ja immer vergleicht. Der hat dann gesagt, Harald, als Politiker hätten Sie eine Riesenkarriere gemacht. Da habe ich gesagt, und warum sind Sie nicht Kanzlerkandidat geworden? Aber in der SPD kommen die halt nicht damit klar, daß einer ein bißchen herausragt, das schadet der Glaubwürdigkeit, denken sie. Verrückt. Und sonst? Ach, Berlusconi wäre noch 'ne schöne Rolle. Der Kirch, sein deutsches Pendant, ist leider zu häßlich.

Noch einmal zurück zum Buch: Ein Thema von „Der Trinker“ ist Aufrichtigkeit. Die Lebenskatastrophe von Erwin Sommer fängt ja damit an, daß er seine Frau über seine Schwierigkeiten im Geschäft belügt. Der Alkoholismus hängt mit der lügenhaften Existenz dieses Menschen zusammen.

Ja, richtig, wir haben das auch so belassen... Vor mir hat schon einmal ein Kollege das Buch verfilmen wollen, der schwer mit Alkohol zu tun hatte, der Hannes Messemer, der wäre auch sehr gut gewesen... Aber der Unterschied zwischen uns ist insofern eklatant, als ich ja zugebe, daß ich saufe, und Messemer hat es wie die meisten Alkoholiker verdeckt. Man sagt dann, ich habe heute Kreislaufprobleme, mir ist ganz heiß oder so. Ich habe immer gesagt, ich bin besoffen.

Daß Sie oft besoffen waren, ist notorisch. Würden Sie sich denn mittlerweile einen Alkoholiker nennen?

Na ja, wenn einer Quartalssäufer ist, was ich ja bin, dann ist er in irgendeiner Form Alkoholiker. Ich bin kein Alkoholiker, der den Stoff immer braucht. Wenn ich jetzt einen Wodka trinken würde, würde es mir dreckig gehen. Das wär' beschissen, da würde ich mir dauernd Vorwürfe machen.

Ist Harald Juhnke jetzt auch so ein bißchen Volkspädagoge? Haben Sie missionarische Absichten mit dem Trinker-Film?

Ja, ich könnte mir vorstellen, daß viele Leute sich das angucken, die damit zu tun haben, und nicht nur die, sondern auch deren Partner, die ja eigentlich noch mehr leiden. Wie oft habe ich schon im besoffenen Zustand gesagt, ich bringe mich um, ich habe keine Lust mehr, diese Stimmungsschwankungen – eben noch denkst du, jetzt hat er's gepackt, laß ihn doch einen trinken – zack, kippt er um und ist wieder fertig.

Der Held der Geschichte spricht immer wieder von dem Wunsch, sich ins Nichts fallen zu lassen.

Ja, ins Nichts, das sagen die Alkoholiker immer: zu Nichts werden, wie schön das wäre. Interview: Klaudia Brunst

und Jörg Lau