■ Dänen und Deutsche feiern 75 Jahre Wiedervereinigung: Auf heiligem Rasen zu Düppel
Zehntausende von Dänen haben gestern mit Königin Margrethe und Ministerpräsident Nyrup Rasmussen auf den Düppeler Schanzen nahe der deutsch-dänischen Grenze die Wiedervereinigung Dänemarks mit dem Landesteil Nordschleswig (Sönderjylland) gefeiert. Nicht ganz selbstverständlich waren unter ihnen besondere Gäste: Vertreter der deutschen Minderheit, die just vor 75 Jahren nach der Volksabstimmung wider Willen im dänischen Staat geboren wurde; ebenso wie die heute zahlenmäßig größere dänische Minderheit in Deutschland.
Die Deutschen in Dänemark fühlten sich durch ein Sanktionsplebiszit benachteiligt, weil in der sogenannten 2. Zone mit der Stadt Flensburg ein Definitionsplebiszit festgesetzt war. Da eine Stadt wie Tondern trotz einer größeren deutschen Mehrheit als zum Beispiel Flensburg an Dänemark fiel, forderten die deutschen Nordschleswiger von Anfang revisionistisch eine neue Entscheidung. Der Keim zu neuem Streit war gesät. Die deutsche Besatzungszeit warf dann tiefe Schatten auf das deutsch-dänische Verhältnis. Die damalige Minderheitenführung hoffte illoyal auf eine Hitlersche Grenzrevision à la Versaille – vergeblich. Nach 1945 erkannten die deutschen Nordschleswiger in einer Loyalitätserklärung an Königshaus und Staat die Grenze endgültig an, die danach vorübergehend durch die dänische Minderheit in Deutschland „bedroht“ war. Erst die Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen von 1955 brachten entscheidende Veränderungen im deutsch-dänischen Grenzland, in dem die heutige Minderheitenlösung fast als „genius loci“ bezeichnet wird.
Dennoch gab es viele ältere Dänen, die gegen eine Teilnahme der deutschen Minderheit auf ihrem – seit der Niederlage gegen die Preußen 1864 – heiligen Rasen Düppel protestiert haben. Königin und Regierung haben jedoch an der Einladung festgehalten – in der Erkenntnis, daß es 1920 zwar Gewinner und Verlierer gab, es inzwischen aber nur Gewinner gibt, weil die Grenze auch in den Köpfen überwunden ist. Beide Länder machen inzwischen eine Minderheitenpolitik, die sich national wie international sehen lassen kann. Immerhin ist die deutsch-dänische Grenze die einzige in Europa, die nach Volksabstimmung und Gesinnungsprinzip seit 1920 gehalten hat – glücklicherweise! Siegfried Matlok
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