Daumenschrauben für Finanzminister

■ Sitzung der Finanz- und Wirtschaftsminister der EU droht, Spanien, Portugal und Griechenland Milliarden an Hilfsgeldern aus dem Kohäsionsfonds zu streichen / Deutsche treten besonders hart auf

Brüssel/Berlin (dpa/taz) – Am ersten Juli hat Spanien für sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der EU übernommen. Präsident Felipe Gonzales möchte die Zeit gerne zur innenpolitischen Selbstdarstellung nutzen, doch sein Finanzminister Pedro Solbes hat einen überaus schlechten Stand in Brüssel. Die Mehrheit der Kollegen haben ihm am Montag abend eine ernste Verwarnung erteilt. Sie drohten damit, auch Spanien die Finanzhilfen zu sperren, wenn die Regierung nicht sofort damit beginne, das Staatsdefizit abzubauen.

Es geht bei dem überraschend offen ausgetragenen Streit nur vordergründig um das Datum der Währungsunion, die nach dem Maastrichter Vertrag 1999 vollzogen werden soll. Lediglich Deutschland, Luxemburg und Irland erfüllen heute die Kriterien für diesen Schritt, die ebenfalls in Maastricht festgelegt worden sind. Spaniens Finanzminister möchte zwar „spätestens im Dezember“, nämlich auf dem EU-Gipfel von Madrid, einen „Fahrplan“ verabschieden können. Es sei sogar „das wichtigste Ziel der EU-Präsidentschaft seines Landes, den „Weg zur Eurowährung aufzuzeigen“, sagte er gestern in Brüssel. Nur würde Spaniens Volkswirtschaft diesen Erfolg kaum verkraften. Die Autofabrik Seat und die nationale Fluggesellschaft überleben nur mit staatlichen Subventionen, die in der EU-Kommission heftigen Widerspruch ausgelöst haben. Die Verhandlungen dauern noch an, und die erste Ministerratssitzung unter seiner Leitung hat Solbes gezeigt, daß mit Nachsicht nicht zu rechnen ist. Immerhin 12 von den 15 Mitgliedsstaaten haben sich der Drohung angeschlossen, den sogenannten Kohäsionsfonds ausgerechnet für die Länder zu sperren, für die er 1992 eingerichtet wurde.

20,5 Milliarden Dollar stehen bis 1997 zu Verfügung, um den Ärmsten Europas, neben Spanien auch Irland, Griechenland, und Portugal, Strukturentwicklungsprogramme zu finanzieren. Nur Irland konnte seither seinen Staatshaushalt konsolidieren. Die Südländer kassieren die EU-Gelder und schieben wachsende Staatsschulden vor sich her.

Besonders hart trat die deutsche Delegation auf. Sie wollte den Kohäsonsfonds schon im nächsten Jahr sperren, falls sich Regierungen nicht strikte Haushaltsdisziplin verordneten. Aber die Geduld auch derjenigen Mitgliedsländer ist erschöpft, die selbst weit entfernt davon sind, die Maastrichter Stabilitätskriterien zu erfüllen. Ausgerechnet Großbritanniens Schatzkanzler Kenneth Clarke, der lediglich hofft, sein Land werde im nächsten Jahr soweit sein, sprach davon, die Drohung gegen die Südländer beweise, daß der Prozeß der Währungsunion nunmehr „Biß“ bekommen habe. Dabei ließ Clarke keinen Zweifel daran aufkommen, daß ihn die Währungsunion selbst gar nicht interessiert. Großbritannien, erläuterte er seine Position vor der Presse, werde erst später und unabhängig von der Erfüllung der Maastrichter Kriterien darüber entscheiden, ob es die Eurowährung einführen wolle. Ob das geschehe, hänge davon ab, wie die Beziehungen zwischen Staaten mit Einheitswährung und den anderen EU-Mitgliedern gestaltet werden. Kenner spekulieren bereits, daß Großbritannien Handelsschranken gegen Stabilitätssünder aufstellen könnte, um den ungeliebten Binnenmarkt loszuwerden. nh