„Endlösung der Gedenkfrage“

■ Widerstand gegen geplantes Holocaust-Mahnmal: Hinterbliebene protestieren gegen die Namensnennung

Berlin (taz/dpa/AFP) – Der Widerstand von Hinterbliebenen jüdischer Opfer des Nationalsozialismus gegen das geplante zentrale Holocaust-Mahnmal in Berlin wächst. Ihr Protest richtet sich immer mehr gegen das Vorhaben, auf der 100 mal 100 Meter großen Grabplatte die Namen von 4,2 Millionen ermordeten Juden einzugravieren. Nach den Historikern Julius Schoeps und Arno Lustiger bestätigte jetzt auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Jacob, daß sich Hinterbliebene an ihn gewandt haben, um zu verhindern, daß die Familiennamen ihrer Angehörigen auf diesem Denkmal genannt werden. Gegenüber der Welt am Sonntag sagte er, die Hinterbliebenen befürchteten, „daß durch das Bekanntmachen von Namen auf einem jedermann zugänglichen Denkmal Hinweise auf jüdische oder vermeintlich jüdische Familien gegeben werden könnten“. Jacob forderte deshalb, „daß bei der weiteren Planung auch der Schutz der Persönlichkeit der Verstorbenen und ihrer Hinterbliebenen gebührend berücksichtigt wird“.

Ähnlich wie Schoeps, der in der taz armgumentierte, daß das geplante Denkmal eine Art „Schlußstrich“ der Erinnerung an den Holocaust bedeuten würde, argumentiert auch Michael Wolffson, Historiker für jüdische Studien an der Bundeswehruniversität in München. Er befürchet, daß das Monument zu einer „Kranzabwurfstelle“ wird. „Setzt den Staatsgast in einen Hubschrauber und fliegt ihn nach Auschwitz“, empfiehlt er deshalb. Seine zentrale These lautet: „Ästhetisierung bedeutet Verharmlosung.“ Widerspruch gegen solche harschen Thesen formulierte Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Er meint, daß Thesen wie von Schoeps und Wolffson zu einem „Nichtstun“ führen könnten. Er hält deshalb nur eine Diskussion über das Wie und nicht über das Ob für zulässig. „Die zentrale Gedenkstätte wäre ein Ausrufezeichen der Gegenwart, die sich der Vergangenheit stellt.“

Doch genau dies sehen vor allem amerikanische Beobachter als Problem. James Young, Judaistik- Professor an der Universität von Massachusetts und Direktor des Holocaust-Museums in Washington meint, daß es so viele Wege des Gedenkens gebe, daß eine „zentrale Gedenkstätte ein Paradox wäre“. Es wäre „ein Raum, der vorgibt, alle Erinnerungen zu enthalten“, ohne dies aber leisten zu können. Mit dieser „Endlösung der Gedenkfrage“ würden die vielen „Subkulturen der Erinnerung“ verlorengehen, befürchtet er.

Der Berliner Senat hat seine Entscheidung über das Denkmal jetzt auf Mitte Oktober vertagt, um das Thema aus dem Berliner Wahlkampf herauszuhalten. aku