„Raytheon“ spioniert am Amazonas

■ Brasilianische Regierung gibt Milliarden für die Überwachung des Urwalds aus / Auftrag an US-Konzern

Rio de Janeiro (taz) – Die Überwachung des brasilianischen Amazonasgebiets ist ein blendendes Geschäft – jedenfalls für US-Konzerne. Rund 1,4 Milliarden US- Dollar will sich die Regierung in Brasilia die Kontrolle der 5,2 Millionen Quadratkilometer Grünfläche südlich des Äquators kosten lassen. Der Löwenanteil des Geldes fließt laut eines im Juni unterzeichneten Vertrags mit der brasilianischen Regierung an die amerikanische Firma „Raytheon“, die das Radar- und Kommunikationssystem liefert. Doch während der amerikanische Rüstungs- und Elektronikkonzern die brasilianische Regierung zu ihrer „mutigen und zukunftsorientierten Haltung“ beglückwünscht, regt sich in Brasilien selbst starker Widerstand gegen das Mammutprojekt.

Mit der Installation modernster Radarsysteme und Satelliten im brasilianischen Urwald sollen die Grenzen zu den brasilianischen Nachbarländern Peru, Bolivien, Kolumbien, Venezuela, Britisch- und Französisch-Guyana und Surinam überwacht sowie der Drogenhandel kontrolliert werden. Es geht außerdem darum, Bodenschätze und Wasserreservate zu lokalisieren und den Luftverkehr zu steuern. Umweltzerstörungen wie Brandrodungen, illegaler Bergbau oder Goldwäsche sollen sofort wahrgenommen werden können.

Die Firma Raytheon aus Lexington hatte sich im Juli vergangenen Jahres gegen die Konkurrenten „Deutsche Aerospace“ (Dasa) und „Thomson CSF“ aus Frankreich bei der Lieferung der technischen Ausrüstung durchgesetzt. Nach der endgültigen Unterzeichnung des Milliardenvertrages wird nun in Brasilien darüber gestritten, wer auf brasilianischer Seite die Kontrolle bei der Ausführung des sogenannten Sivam-Projektes (Sistema de Vigilancia da Amazonaia“) übernimmt.

Der ursprünglich von der brasilianischen Regierung dafür auserwählten Firma „Esca“ wurde dieses Vorrecht entzogen, weil das Unternehmen innerhalb der letzten vier Jahre die Pflichtbeiträge an die staatliche Renten- und Gesundheitsversicherung nicht ordnungsgemäß abgeführt hatte. Der Esca-Skandal wurde von dem Abgeordneten der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), Arlindo Chinaglia, aufgedeckt.

Brigadegeneral Marco Antonio de Oliveira, Koordinator des Sivam-Projektes, mußte vor der brasilianischen Presse einräumen, daß die Firma ohne öffentliche Ausschreibung von der brasilianischen Regierung mit der Ausführung des Vorhabens beauftragt wurde. Da die Regierung befürchtet hatte, daß dem internationalen Drogenhandel zugehörige Gruppen sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen würden, habe man sich für eine direkte Auswahl entschieden, rechtfertigte sich der General.

Die brasilianischen Parlamentarier begnügten sich nicht mit der Erklärung des Generals. Um den Technologietransfer für Brasilien zu garantieren und den Fluß der Gelder zu kontrollieren, soll jetzt eine permanente parlamentarische Kommission zur Kontrolle des Sivam-Projektes eingerichtet werden. Die Regierung soll die Kontrolle übernehmen und nicht erneut eine Firma beauftragen. Astrid Prange