Gewalt hinter den Türen

■ Jede siebente Frau wird mindestens einmal vergewaltigt oder genötigt

Bonn/Berlin (taz/dpa/epd) – Jede siebente Frau zwischen 20 und 59 Jahren ist mindestens einmal in ihrem Leben vergewaltigt oder sexuell genötigt worden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, die gestern veröffentlicht wurde. Drei Viertel der Fälle ereigneten sich danach in der Familie oder im Freundeskreis – die Täter waren Ehemänner, Brüder, Väter, Freunde oder Bekannte der Familie.

Nach Auffassung von Frauenministerin Claudia Nolte (CDU), die die Untersuchung in Auftrag gegeben hat, belegen die Ergebnisse die Dringlichkeit, Vergewaltigung in der Ehe im Strafrecht genauso zu ahnden wie außereheliche Vergewaltigungen.

Die psychischen Folgen seien sogar noch schwerwiegender, als wenn der Täter ein Fremder sei, sagte Nolte. Über 93 Prozent der betroffenen Frauen haben bei der Befragung angegeben, längerfristig unter Ängsten zu leiden. Für den Zeitraum von 1987 bis 1991 ist davon auszugehen, daß rund 690.000 Frauen – das sind etwa drei Prozent der weiblichen Gesamtbevölkerung zwischen 20 und 59 Jahren – Opfer sexueller Gewalt durch Männer aus ihrem familiären Umfeld wurden. Etwa 350.000 Frauen wurden in diesem Zeitraum von ihren Ehemännern vergewaltigt. Hochgerechnet ergibt dies, daß jede siebente Frau Opfer von Vergewaltigung oder Nötigung wurde.

93 Prozent der Taten sind der Studie zufolge nicht angezeigt worden, weil es den Frauen peinlich war oder sie das Gefühl hatten, die Polizei könne nichts bewirken. Bisherige Untersuchungen hatten sich in der Regel auf Angaben der Polizei gestützt. Nach den polizeilichen Kriminalstatistiken werden pro Jahr im gesamten Bundesgebiet rund 12.000 Vergewaltigungen angezeigt. Die Studie, bei der insgesamt 5.832 Frauen befragt wurden, belegt nun erstmals auf einer fundierten Datenbasis, daß bei sexueller Gewalt von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muß. flo