Der Hecht ist los

■ betr.: „Angeln nach Wählern“, taz vom 11. 7. 95

Wo manche nur kleine Fische entdecken, ist für andere der Hecht los. Unter den rund 50.000 Anglern Berlins jedenfalls herrscht seit geraumer Zeit mächtige Aufregung über die 50 Märker, die sie pro Jahr an die Stadt zahlen sollen. Davon werden Anglerin und Angler nicht arm, gewiß. Aber das war auch nicht der Grund ihrer Verärgerung. Wer fischt schon an den besonders verschmutzten Seen? Und wen wurmt es dann nicht, wenn Petris Jünger aus Brandenburg nur ein Drittel zahlen, obwohl sie am selben Ufer stehen?

Ich habe daher nachgefragt beim Senat. Dieser mußte zugeben, daß Gebühren und Fischereiabgabe falsch berechnet waren. Sie richten sich nämlich nach dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand, und der ist mächtig gesunken, seit die bisher zwölf Ausgabestellen für Fischereischeine auf zwei gekürzt wurden.

Was macht ein Abgeordneter, der diese zugegeben kleine, aber doch Ungerechtigkeit aufdeckt? Drückt er ein Auge zu vor dem staatlichen Rechenfehler, um im Sinne des sparsam wirtschaftenden taz-Redakteurs regierungsfähig zu sein? Oder denkt er daran, daß Politik auch bei kleinen Fischen glaubwürdig bleiben muß? [...] Hartwig Berger, umweltpoli

tischer Sprecher der Fraktion

Bündnis 90/ Grüne (AL)/UFV

[...] Es zur Nagelprobe unserer Regierungsfähigkeit zu machen, daß wir uns mit Bürokratiegebühren anfreunden, die andere Bundesländer zum Teil gar nicht, jedenfalls nirgendwo in dieser Höhe erheben, ist geradezu grotesk. Gerade weil die großen Gelder an ganz anderer Stelle verbraten werden, gilt doch wohl nach wie vor die Regel, beim Sparen oben anzufangen und nicht Gebühren für eine großteils überflüssige staatliche „Leistung“, den Fischereischein, willkürlich heraufzusetzen.

Den Führerschein behalte ich bekanntlich bis ins Greisenalter. Der Fischereischein muß alle fünf Jahre erneut beantragt werden, als ob mit der Angel größerer Schaden als mit dem Auto angerichtet werden könnte. Diesen Fischereischein – sozusagen den Führerschein für Angler – muß ich nach dem Wohnsitzprinzip in Berlin beantragen, auch wenn ich aus guten Gründen niemals auf die Idee käme, in Berliner Gewässern zu angeln. Zusätzlich benötige ich für das jeweilige Gewässer meiner Wahl und Liebe eine Angelkarte, sozusagen die Straßenbenutzungsgebühr, für jede Straße extra zu entrichten.

Mit 50 DM ist es eben nicht getan. Und welche Summe ich für Peanuts halte, hängt ganz entscheidend davon ab, wieviel ich ansonsten in der Geldbörse habe. So wird auch die Aufgeregtheit derer verständlich, die beim Angeln bekanntlich die Geduld in Person sind. Wolfgang Wieland,

Fraktionsvorsitzender Bündnis

90 / Die Grünen

[...] Angler und Sportfischer sind keine Naturschützer, auch wenn viele Vereine den Natur- und Artenschutz formal in ihre Satzungen aufgenommen haben. Ziel und Zweck des Naturschutzes sind der Erhalt von Lebensräumen und Arten. Das Ziel des Anglers- und Sportfischers ist der Fisch. Früher eine Form des Nahrungserwerbs, ist das Angeln heute meistens ein reines Hobby, dessen Ziel und Zweck das Töten ist.

Die fischereiliche Nutzung von Gewässern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Naturhaushalt dar, dessen Ausmaß und Auswirkungen bislang nur unzureichend untersucht und bekannt sind: die Verschiebung der Artenzusammensetzung durch das bevorzugte Herausangeln von Raubfischen, negative Auswirkungen auf Wasservogelvorkommen, Veränderungen der Fischfauna durch Besatzmaßnahmen, Verschlechterung der Gewässergüte durch Eintrag von Getreide und Brot zum Anfüttern, Zerstörung von Röhrichtbeständen, Verletzungen von Wasservögeln durch verlorene Angelhaken, die Verteufelung des Kormorans als Unterwasserterrorist usw.

Im Gegensatz zu anderen neuen Landesfischereigesetzen wurde für Berlin leider ein ziemlich anachronistisches Gesetz durchgesetzt, das die Forderungen des Natur- und Tierschutzes kaum berücksichtigt.

Es wurde weder die Forderung nach der Schonung der Raubfische bei überhöhtem Weißfischbestand noch der Schutz der akut vom Aussterben bedrohten Kleinfischarten aufgenommen. Selbst die kleinsten Gewässer wurden den Anglern preisgegeben. Das Angeln wurde schon Kindern ab zwölf Jahren erlaubt. Nicht einmal tierquälerische Praktiken, wie das Wettangeln, die Haltung gefangener Fische in Setzkeschern und das Aussetzen fangreifer Fische zum alsbaldigen Wiederangeln, wurde verboten.

Das einseitig an den Interessen der Fischer- und Anglerlobby abgestimmte und dem Natur- und Tierschutz Hohn sprechende Landesfischereigesetz kam auf die Initiative der CDU, unter Beihilfe der SPD und mit Duldung der Grünen zustande: Ein Wahlgeschenk an die 50.000 Berliner Angler- und Sportfischer, die sich nun aussuchen können, wen sie wählen wollen. Diese Qual der Wahl haben Umwelt- und Naturschützer bekanntlich auch aus anderen Gründen kaum.

Angesichts ihres Erfolges beim Berliner Fischereigesetz erscheint das erneute laute Jammern der Anglerlobby wegen der erhöhten Gebühren folgerichtig und auch wieder erfolgreich, wie die Initiative der Grünen zeigt! Nach Angaben des Fischereiamtes, nun wirklich unverdächtig, dem Naturschutz zu nahezustehen, wird die erhöhte Gebühr mit der „enormen Befischungsdichte“ begründet, die in Berlin sieben Angler pro Hektar beträgt und damit weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die erhöhten Gebühren werden danach zum Erhalt der Fischbestände benötigt, für die jährlich mehrere Millionen aus Steuermitteln aufgebracht werden. Wäre es da nicht logisch, nicht nur die Gebühren, sondern vor allem auch die Zahl der Angelscheine zu reduzieren?

Christiane Bernhardt, BUND,

AK Natur- und Artenschutz,

Sprecherin