Subventionierte Entwicklung

Mit Euro-Subventionen lockt Portugal Investoren ins Land / Doch die osteuropäische Konkurrenz macht dem Land zu schaffen  ■ Aus Lissabon Theo Pischke

Anibal Cavaco Silva ist hochzufrieden. Wenn Fabriken eröffnet, Straßen eingeweiht werden, dann lächelt der sonst meist ernst und verkniffen wirkende portugiesische Ministerpräsident. So auch bei der Eröffnung der Autofabrik „AutoEuropa“, einem Gemeinschaftsprojekt von VW und Ford in Palmela vor den Toren Lissabons. 4,2 Milliarden Mark Investitionskosten (davon 880 Millionen Mark Subventionen), 3.000 direkte Arbeitsplätze, geplante Jahresproduktion 180.000 Fahrzeuge.

Großraumlimousinen, sogenannte Multipurpose Vehicles, vom Typ Ford „Galaxy“ und VW „Sharan“ werden in dem im Frühjahr eröffneten Werk hergestellt. Ein ehrgeiziges Projekt, denn 1993 konnten die anderen sieben Hersteller solcher Fahrzeuge zusammen in ganz Europa nur 132.000 Stück absetzen.

„AutoEuropa“ ist die bisher größte ausländische Investition in Portugal. Doch demonstrierende Arbeiter aus Palmelas Nachbarstadt Setubal erinnerten den Ministerpräsidenten schon bei der Eröffnung daran, daß Investitionen ausländischer Firmen nicht Wohlstand auf ewig bedeuten. Auch in Setubal werden Autos hergestellt – noch. 1980 eröffnete Renault dort eine Fabrik. Mit 1.500 Beschäftigten wurde damals die Produktion der Autos begonnen, heute sind es noch 660. Und die Gerüchte um die bevorstehende Schließung des Werkes und eine Abwanderung Renaults nach Osteuropa wollen nicht verstummen.

Wie bei „AutoEuropa“ hatte der portugiesische Staat die Investition großzügig gefördert: 400 Millionen Mark zahlte er an Renault. Jetzt droht Handelsminister Fernando Faria de Oliveira dem französischen Autobauer mit einer Klage auf Rückzahlung des Geldes, falls das Werk tatsächlich geschlossen wird.

Seit der Öffnung Ost- und Mitteleuropas sticht einer der Haupttrümpfe Portugals im Poker um ausländische Investitionen nicht mehr so häufig wie noch vor fünf Jahren: die billige Arbeitskraft. Doch auch die Praktiken unverantwortlicher Subventionsjäger mahnen zur Vorsicht.

Zum Beispiel der französische Millionär Thierry Roussel, Ex- Mann von Cristina Onassis. 1989 eröffnete er in Odemira, in der armen Agrarprovinz Alentejo im Süden Portugals eine Riesen-Farm; 25.000 Tonnen Obst und Gemüse wollte der Franzose dort jährlich ernten. Die Europäische Union und Portugal pumpten insgesamt 25 Millionen Mark Subventionen in das Projekt. Roussels Plan war, das warme Klima in Alentejo auszunutzen, um in den Wintermonaten den europäischen Markt zu beliefern. Doch der millionenschwere Unternehmer hatte sich getäuscht. Auch im Alentejo können die Winter kalt sein. Schlechte Geschäftsführung des französischen und belgischen Managements tat ein übriges. Die Früchte- Farm ging im Frühjahr pleite. Roussel ließ das Projekt den Bach hinunter gehen. „Wenn das sein Geld gewesen wäre, hätte er nicht alles stehen- und liegengelassen und wäre verschwunden“, sagt der nun arbeitslose Agraringenieur Ricardo Torres mit Blick auf die Subventionsmillionen. Ministerpräsident Cavaco hatte die Farm noch 1991 als „Zukunftsmodell für den Alentejo“ gepriesen.

Bei der kommenden Parlamentswahl will Cavaco nicht mehr kandidieren. Politische Stabilität, Attraktivität für ausländische Investoren, Eindämmung der Inflation, Wachstumsraten über dem EU-Durchschnitt – das waren die wichtigsten Ziele des konservativen Technokraten Cavaco. Politische Stabilität demonstriert auch seine 10jährige Amtszeit. Doch die Kehrseiten sind Ämterpatronage und Korruption. So klagt der Präsident des portugiesischen Industriellenverbandes (CIP), Pedro Ferraz da Costa, an öffentliche Aufträge sei fast nur noch durch die Zahlung von „luvas“, Bestechungsgeldern, zu kommen.

Zweistellige Inflationsraten, vor seinem Amtsantritt an der Tagesordnung, hat Cavaco durch eine Politik des knappen Geldes eingedämmt. Im Jahresdurchschnitt lag die Inflationsrate 1994 bei 4,5 Prozent; im gleichen Zeitraum war der EU-Durchschnitt 3,1 Prozent. Doch auch nach 10 Jahren Stabilität liegt das portugiesische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf immer noch bei nur 66 Prozent des EU-Durchschnitts. Und ohne die Zahlungen aus den Kassen der EU wäre der Rückstand noch größer. Allein für 1995 rechnet die Lissaboner Regierung mit 6,83 Milliarden Mark aus Brüssel.